Gruppen­dynamik

Der Blaue Reiter

Gruppen­dynamik

Nach einer erregten, beinahe in Handgreiflichkeiten ausartenden Diskussion erklärten Wassily Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter am 2. Dezember 1911 ihren Austritt aus der Neuen Künstlervereinigung München. Nur zwei Wochen nach dem Eklat richteten sie mit ihren Mit­streiter*innen in der Münchner Galerie Thannhauser eine Gegenausstellung ein. Sie zeigten neben eigenen Arbeiten Werke von August Macke, Robert Delaunay, Elisabeth Epstein, Albert Bloch, David und Wladimir Burljuk, Heinrich Campendonk, Arnold Schönberg und Henri Rousseau. Der Titel "Die Erste Ausstellung der Redaktion Der Blaue Reiter" nahm explizit Bezug auf das Vorhaben des Almanachs: Dieses programma­tische Jahrbuch eta­blierte den Blauen Reiter als einen Künstler*innenkreis, der sich als Teil eines weltweiten, epochen- und gattungsüberschreitenden Kunstschaffens verstand.

"Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit." So formulierten es Kandinsky und Marc in ihrem Almanach "Der Blaue Reiter" 1912. Dieses Credo inspirierte das Lenbachhaus zu einer neuen Präsentation, die das Schaffen der Künstler*innen des Blauen Reiter in den Zusammenhang der im Almanach veranschaulichten kunst- und kulturhistorischen Erzählung einbettet. Erstmals können in der Ausstellung die Verbindungen zwischen bayerischer und russischer Volks­kunst, japanischen Holzschnitten, Kinderzeichnungen, zeitgenössischer Musik sowie den im Almanach abgebildeten Werken aus Bali, Gabun, Ozeanien, Sri Lanka, Mexiko und Ägypten konkret nachvollzogen werden. Durch den Dialog zwischen bedeutenden Leihgaben und den vertrauten Sammlungsbildern eröffnen sich neue Perspektiven auf das Selbst­ver­ständnis des Blauen Reiter.

Im Sinne des Projekts "Gruppendynamik" ist das kollektive Arbeiten im Kreis des Blauen Reiter ein Leitgedanke der Ausstellung: Den gemein­schaft­lichen Arbeitsaufenthalten in Murnau und Sindelsdorf werden ein­zelne Räume gewidmet, ebenso der Rekonstruktion der 1. und 2. Aus­stel­lung in der Münchner Galerie Thannhauser und der Kunsthandlung Goltz. Neu gedacht wird auch die bisher geläufige Rezeption des Blauen Reiter, in der "Hauptfiguren" wie Münter, Kandinsky, Marc, Macke und Klee weitere wichtige Mitglieder wie Elisabeth Epstein und Maria Franck-Marc überschattet hatten.

Nicht zuletzt thematisiert das Projekt die Auswirkungen des euro­päischen Kolonialismus auf das Kunstverständnis des Blauen Reiter. Gefan­gen in der Mentalität des Hochimperialismus vor dem Ersten Welt­krieg, gelang es auch seinen Mitgliedern nicht, eine emanzipatorische Auffassung von Kunstproduktion jenseits des europäischen Horizonts umzusetzen. Doch die Vision von einer Gleichberechtigung der Kunst aller Völker und Zeiten war wegweisend und hat nichts von ihrem Anspruch verloren.

Das Projekt wird im Rahmen des Programms "Museum Global. Sammlun­gen des 20. Jahrhunderts in globaler Perspektive" von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Der neuen Sammlungspräsentation des Blauen Reiter folgt vom 19. Oktober 2021 bis 24. April 2022 eine zweite Ausstel­lung "Gruppendynamik – Kollektive der Moderne", die sich internationalen Künstler*innengruppen widmet.

Kuratiert von Annegret Hoberg, Matthias Mühling, Anna Straetmans

Eine Ausstellung in Kooperation mit der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München

Das Lenbachhaus nimmt am Projekt "MuSeenLandschaft Expressionismus" teil; zu sehen ist die Ausstellung "Gruppendynamik – Der Blaue Reiter". Die Ausstellungsreihe "Avantgarde in Farbe. Blauer Reiter, Brücke, Expressionismus" führt auch ins Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See, das Schloßmuseum Murnau, das Franz Marc Museum in Kochel am See und das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk.

Als Teil des Vermittlungsprogramms wurde im Rahmen des Projekts "Gruppendynamik" das kritische Interventionsglossar "WORT|WECHSEL" (Konzept: Clara Laila Abid Alsstar, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes) auf den Weg gebracht. Dieses erklärt in Kürze 31 Begriffe, setzt sie in Bezug zu Werken der Ausstellung "Gruppendynamik – Der Blaue Reiter" und bringt dabei verschiedene Themen, zeitgenössische Debatten und ungewohnte Perspektiven ein.

Wandtexte und Raumplan (PDF)

Zum Projekt "Gruppendynamik"

Zur Ausstellung "Kollektive der Moderne"

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Gefördert durch die

Logo Kulturstiftung des Bundes: Link zur Website

Stimmen

"Das Team des Lenbachhauses hat nun eine erstaunliche Fülle an Objekten aus dem Almanach zusammengetragen. Sogar das Hochzeits-Bild von Rousseau konnte man von den Pariser Musées d'Orsay et de l'Orangerie loseisen. Oder die faszinierende Ahnen-Holzplastik von den Osterinseln, die vom Museum Fünf Kontinente in die Luisenstraße wanderte. [...] Einige Wunder sind zu bestaunen: etwa die raren Epstein-Werke oder die träumerische Landschaft von Wladimir Burljuk. Überhaupt lässt seinen dieser Abschnitt der Schau über viele unterrepräsentierte Blaue Reiter staunen. Maria Marc lässt Helligkeit und Kinderliebe strahlen. Marianne von Werefkin geht in symbolische Tiefe. Jean-Bloé Niestlé haut einen mit Hyper-Realismus und Naturliebe um. Und Eugen von Kahler träumt sich in Paradiese mit Nackten."

Simone Dattenberger, tz

"Die Schau "Gruppendynamik", die mit 650 Objekten den kompletten zweiten Stock des Lenbachhauses ausfüllt, lässt den Blauen Reiter in einem völlig neuen sozialen und kreativen Gefüge erscheinen. [...] Die Vielfalt der Arbeiten, die gegenseitige Inspiration, die Öffnung des internationalen Kreises von Künstlern und Künstlerinnen für alle Formensprachen, für figürliche genauso wie abstrakte Tendenzen, ist frappierend. Sie war Ausdruck einer weltumspannenden Vision, die sich 1912 im Almanach Der Blaue Reiter niederschlug."

Tanja Beuthien, ART

"Mit seiner Ausstellung "Gruppendynamik – Der Blaue Reiter", in der die eigene Sammlung um eine Reihe bedeutender Leihgaben erweitert wird, vollzieht das Lenbachhaus nun einen sehenswerten Spagat, der Historisches zurechtrücken will und den Anschluss an heute aktuelle Fragen herstellt. [...] In drei Abteilungen stellt das Lenbachhaus die NKVM- und Blaue-Reiter-Ausstellungen mit ausgewählten Exponaten in ihren internationalen Dimensionen vor und holt dabei Künstlerinnen wie Elisabeth Epstein und Maria Franck-Marc aus den Männerschatten."

Heinz Schütz, KUNSTFORUM International

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Gruppendynamik – Der Blaue Reiter

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Gruppendynamik

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Gruppendynamik – Der Blaue Reiter: Kolonialismus

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