Provenienzforschung
Mit Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien im Dezember 1998 hat sich die Bundesrepublik Deutschland – neben 43 weiteren Staaten – verpflichtet, verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu identifizieren und mit den einstigen Eigentümerinnen und Eigentümern oder ihren rechtmäßigen Erbinnen und Erben faire und gerechte Lösungen zu finden. Der Kulturausschuss der Landeshauptstadt München beschloss in der Sitzung vom 21. Oktober 1999, die vom Beauftragten der Bundesregierung der Kultur und der Medien, vom Deutschen Museumsbund und von der Kulturstiftung der Länder erbetene Recherche in den städtischen Museen zu unterstützen.
Die Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München untersucht die Provenienzen ihrer Sammlung seit über fünfzehn Jahren. Neben der präzisen Dokumentation aller Sammlungsobjekte ist unser erklärtes Ziel, die Washingtoner Prinzipien umzusetzen. Entsprechend überprüft das Lenbachhaus systematisch die Provenienz der Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind und nach 1933 in die Sammlung gelangten. Im Falle von Anfragen und Ausleihen für interne und externe Präsentationen wird die Herkunft der dafür vorgesehenen Kunstwerke priorisiert untersucht, sofern sie die vorgenannten Kriterien aufweisen. Neben der Untersuchung der eigenen Sammlungsbestände finden auch Vorabüberprüfungen von möglichen Neuzugängen, Annahmen von Dauerleihgaben oder Stiftungen statt.


Darüber hinaus ist die Provenienzforschung im Kontext unseres Museums auch aufs Engste mit der Aufarbeitung der eigenen Institutions- und Sammlungshistorie verbunden. Erforscht werden sowohl die Rolle des Lenbachhauses im Nationalsozialismus als auch die Verhaltensweisen der damaligen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger. Durch die Recherchen werden zudem neue Erkenntnisse über den historischen Kunstmarkt und die Akteure des "Betriebsystems Kunst" gewonnen. Lebenslauf und Schicksal von unbekannten, aber zu ihrer Zeit wegweisenden Sammlerinnen und Sammlern, wichtigen Händlerinnen und Händlern sowie bedeutenden Auktionatorinnen und Auktionatoren werden ermittelt und offengelegt.
Nicht nur die Historie des konkreten Objekts, sondern viele individuelle Geschichten werden erschlossen und die historische Welt erfahrbar sowie begreifbar gemacht. Exakt dieses Wissen ist essentiell für eine lebendige Erinnerungskultur. Wir vertreten den Standpunkt, dass wir eine moralisch-ethische Verantwortung dafür tragen, das Unrecht, das den Opfern des Holocaust widerfahren ist, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Weitere Informationen über die Provenienzforschung am Lenbachhaus finden sich hier:
Bock, Sarah: Zur Provenienz von Paul Klees Sumpflegende, in: Kulturstiftung der Länder und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München (Hrsg.): Paul Klee. Sumpflegende, 1919. PATRIMONIA 396, München 2019, S. 32–43.
Wittchow, Melanie: 255 Kunstwerke im Wert von 97.883 RM – das Lenbachhaus forscht. Ein Beitrag zum Tag der Provenienzforschung, Blogbeitrag zum Tag der Provenienzforschung des Arbeitskreises Provenienzforschung e. V. am 9. April 2019.
Bock, Sarah: Lenbachgalerie und Städtische Galerie München im Nationalsozialismus und ihre Verbindung zum Historischen Museum der Stadt München, in: Rader, Henning / Voigt, Vanessa-Maria (Hrsg.), Ausst. Kat. Münchner Stadtmuseum: Ehem. jüdischer Besitz. Erwerbungen des Münchner Stadtmuseums im Nationalsozialismus, München 2018, S. 61–76.
Schleusener, Jan: Raub von Kulturgut. Der Zugriff des NS-Staates auf jüdischen Kunstbesitz in München und seine Nachgeschichte, München 2016.
Kern, Lisa: "An art lover's collection." Franz von Stucks Gemälde Salome und Saharet aus der Kunstsammlung Fritz von Frantzius in Chicago, in: Mühling, Matthias (Hrsg.): Franz von Stuck. Salome, Edition Lenbachhaus – 1, München 2014, S. 79–101.
Netta, Irene: 75 Jahre Städtische Galerie im Lenbachhaus, Einblicke in eine wechselvolle Sammlungsgeschichte, in: Friedel, Helmut (Hrsg.): 75 Jahre Städtische Galerie im Lenbachhaus München, München 2004, S. 11–77.
Zweite, Armin: Franz Hofmann und die Städtische Galerie 1937, in: Schuster, Peter-Klaus (Hrsg.): Die "Kunststadt München" München 1937. Nationalsozialismus und "Entartete Kunst", München 1987, S. 261–288.
Artikel zum Thema Provenienzforschung
Fair und gerecht
Für folgende Kunstwerke konnten einvernehmliche Lösungen gemeinsam mit den Erb_innen der einstigen Eigentümer_innen gefunden werden:

























