Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967)

Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967)

1981 erscheint eine berühmt gewordene Karikatur im Magazin "Stern": Bundeskanzler Helmut Schmidt, mitten im Ost-West-Konflikt, sitzt, zwischen Wodka und Cola, im Kanzlerbungalow auf dem Sofa – unter einem Gemälde von Günter Fruhtrunk. Ein Jahr vor seinem Tod gilt der Münchner Akademieprofessor Fruhtrunk als ein führender bundesrepublikanischer Vertreter der konkreten Kunst. Sein Entwurf für die Aldi-Nord Tüte besticht durch seine unverbindliche Prägnanz – und bleibt nicht umsonst deutsche Design-Ikone.
Dabei hatte Fruhtrunks Karriere Jahrzehnte zuvor in Frankreich begonnen: Von der französischen Besatzungszone aus, während der frühen 1950er Jahre, setzt er alles daran, um in Paris, inmitten der innovativsten Vertreter*innen einer gegenstandsbefreiten Malerei, seine eigene Form zu finden. Die Übersiedlung gelingt ihm 1954, er bleibt bis zu seiner Berufung nach München 1967 und darüber hinaus. Mit äußerster Präzision und Geduld entwickelt er Bilder, die frei sein sollen von den persönlichen oder interpretatorischen Ansprüchen des Künstlers, die nur "artikulierte chromatische Textur mit höchster Lichtkraft" darstellen wollen. Es geht ihm um nichts weniger als das "Freisein des Sehens".
Unterstützt wird er von einflussreichen Veteranen der Vorkriegsavantgarde, vertreten wird er von der Galerie Denise René, in der die kompromisslosesten Bannerträger einer konstruktiven Abstraktion versammelt sind. Unermüdlich erweitert Fruhtrunk sein transnationales Netzwerk von Künstler*innen, Kritiker*innen, Philosoph*innen, Galerist*innen. Seine ersten Einzelausstellungen finden in Paris, Mailand und Marseille statt, von Frankreich aus erschließt er sich ein deutsches Publikum.
Unsere Ausstellung widmet sich dieser brisanten Lebens- und Arbeitsphase Fruhtrunks im Kontext der französisch-deutschen Kunstbeziehungen der 1950er und 60er Jahre. Ca. 60 Werke, mit denen er sich seinerzeit der Öffentlichkeit präsentierte, machen deren Seherlebnis nachvollziehbar.

Zeitgleich veranstaltet das Kunstmuseum Bonn eine Günter-Fruhtrunk-Retrospektive, die im Anschluss in das Museum Wiesbaden wandert.

Zur Ausstellung erscheint die Publikation „Günter Fruhtrunk: Die Pariser Jahre (1954-1967)“.
Hrsg. von Susanne Böller und Matthias Mühling
Edition Lenbachhaus 9, 263 Seiten und 191 Abbildungen, 20 EUR.
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Mit freundlicher Unterstützung des Förderverein Lenbachhaus e.V.

Medienpartner

Stimmen

„Und gegenstandlose Kunst zeigt: nur sich selbst. Sie erzählt keine Geschichten, ist keine Spielwiese für Rätselratende oder Gscheidhaferl; sie ist. Günter Fruhtrunk wollte dabei so konsequent wie möglich sein. Nicht mal Pinselstrich sollte auf schöpferische Hand verweisen oder gar auf die Gefühle des an ihr hängenden Menschen. Bloß kein Getue. Dafür Freiheit. [...] Die für Fruhtrunk so typischen meist schrägen Bänder tanzen hier [Seriengrafien der Mappe „Metastabile Kompositionen“] dermaßen frech und kess, dass von Kälte nicht die Rede sein kann. Menschen, die sich Zeit nehmen, werde zur eigenen Überraschung vieles erschauen, was still und fast unsichtbar entscheidend zur Wirkung beiträgt; nichts kann ohne den Nachbarn, den Nächsten existieren: Vielleicht hat Günter Fruhtrunk ja darin die ethische Aussage seiner Kunst versteckt.“

Simone Dattenberger, Merkur

„Objektiv und gefühlskalt? Von wegen! Die Bilder von Günter Fruhtrunk handeln von der Komplexität des Erkennens, Wahrnehmens, Denkens.“

Kito Nedo, ART

"Fulminante späte Grüße: Zum 100. Geburtstag Günter Fruhtrunks im Mai präsentiert das Lenbachhaus eine große Ausstellung über die Pariser Jahre des großen Münchner Künstlers. Von Energie ist viel die Rede. Die Farben springen ja fast aus den Bildern, wie Raubkatzen in der Manege: saftiges Grasgrün und knalliges Rapsgelb, starkes Royalblau und dazwischen undurchdringliches Schwarz, das wie ein Dompteur unerbittlich für Ordnung sorgt […].“

Christa Sigg, Abendzeitung

"Nein, das sind keine Streifen. Es sind Spuren einer großen, nicht fasslichen Bewegung."

Hanno Rauterberg, Die Zeit

"In seiner Geburtsstadt München konzentriert sich das Lenbachhaus auf die Jahre, die Fruhtrunk in Frankreich verbracht hatte. […] Von Frankreich aus interessierte er dann auch nach und nach das deutsche Publikum für sich und seine rigorosen und doch poppigen perfekten Balken. Eine Bildsprache, die er mit großer Geduld und Genauigkeit entwickelte. Dabei ging es ihm um nichts weniger als das 'Freisein des Sehens'".

Silke Hohmann, Monopol

„Die Farbe, sie war sein Zuhause. Sie war für Günter Fruhtrunk nicht nur Medium, sondern auch der Inhalt seiner Kunst. [...] [Die] „Pariser Jahre“, denen das Lenbachhaus in München anlässlich [Günter Fruhtrunks] 100. Geburtstages im vergangenen Jahr eine Ausstellung widmet […] stellt erstmals diese für ihn sehr wichtige Schaffenszeit ins Zentrum und zeigt, wie prägend die Jahre 1954 bis 1967 für die Herausbildung seines Stils und für sein Schaffen waren.“

Jürgen Moises, SZ

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Blog-Beiträge

Günter Fruhtrunk in Paris

23. Februar 2024

1954 gelang es Günter Fruhtrunk, ein Stipendium für Paris zu bekommen. Schnell eröffnete sich ihm ein weites Feld künstlerischer Anregungen, auf das er nicht mehr verzichten mochte. Er setzte alles daran zu bleiben. Doch was interessierte ihn hier so?

Von Susanne Böller

Werke

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