19. Jahrhundert

Eine romantische Landschaftsauffassung, die Begeisterung für Werke des 16. und 17. Jahrhunderts sowie Einflüsse belgischer, holländischer, französischer und englischer Malerei prägten die Entwicklung der Kunst in München. Einen Höhepunkt stellt der sogenannte Leibl-Kreis dar: Ein Zusammenschluss von künstlerisch tätigen Freund*innen, die sich in den 1860er Jahren kennengelernt hatten. Sie beschäftigten sich vor allem mit malerischen Fragen, die sie für wichtiger hielten als die gewählten Motive. Zu der Gruppe gehörten neben Wilhelm Leibl unter anderen Carl Schuch, Johann Sperl und Wilhelm Trübner.

Die Gründung der Münchener Secession 1892 war Ausdruck neuerer Tendenzen vom Impressionismus und Jugendstil bis zu avantgardistischen Bildvorstellungen. Gemälde von Franz von Stuck, Lovis Corinth, Max Slevogt, Fritz von Uhde und vielen anderen dokumentieren ein künstlerisches Umfeld, auf das die Künstler*innen des Blauen Reiter aufbauen konnten.

Das Lenbachhaus zeigte nach seiner Eröffnung 1929 bis in die 1950er Jahre hauptsächlich Münchner Malerei des 19. Jahrhunderts und deutsche Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit den Repräsentationsräumen und der Kunst des Malerfürsten Franz von Lenbach prägten diese frühen Schwerpunkte den historischen Kern der Sammlung.

Die "Münchner Schule" wurde im 19. Jahrhundert international geschätzt und gesammelt. Das lokale Bürgertum partizipierte über die Ausstellungen des 1823 gegründeten Münchner Kunstvereins, der vor allem Landschaften und Genrebilder zeigte. Als städtische Institution konzentrierte sich das Lenbachhaus zunächst auf diese eher private, bürgerliche Kunst. Damit setzte es sich programmatisch von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ab, die auf den Beständen des bayerischen Königshauses, der Tätigkeit der Kunstakademie und den Ankäufen aus den Internationalen Kunstausstellungen aufbauten.

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Quasi leitmotivisch dominieren im Bereich der älteren Kunst die Gattungen Porträt und Landschaft. Das bedeutendste frühneuzeitliche Gemälde im Bestand ist das "Bildnis eines jungen Mannes" von Jan Polack, das in den 1490er Jahren entstand. Der Name des Künstlers deutet auf eine polnische Herkunft; um 1500 war seine Werkstatt die berühmteste und auftragsstärkste Münchens.

Im 15. Jahrhundert wuchs die Zahl der Bildnisse, als Fürst*innen und Bürgerliche ihr eigenes Gesicht zum Hauptgegenstand von Gemälden machen ließen. Nördlich der Alpen schaffte der Verismus der altniederländischen Malerei seit etwa 1430 die Voraussetzung für die Entstehung des Porträts als eine der wichtigsten Aufgaben der Malerei. Das Individuum konnte nun in seiner unverwechselbaren äußeren Erscheinung ebenso wie hinsichtlich seines Standes und seiner sozialen Stellung erfasst werden.

Aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert finden sich zahlreiche Darstellungen von Adeligen wie Bürgerlichen in der Sammlung, darunter Werke von George Desmarées, die den internationalen Stil des Rokoko vorführen, von Johann Georg Edlinger, dem bedeutendsten Münchner Charaktermaler des späten 18. Jahrhunderts, und Maria Electrine von Freybergs entzückendes Kinderbildnis, das ihre Nichte Natalie Stuntz zeigt.

Joseph Haubers Porträt "Familie Scheichenpflueg" (1811) demonstriert durch die Positionierung, Kleidung und Habitus der Dargestellten, dass der Auftraggeber dem gehobenen und wohlhabenden Bürgertum angehört. Die Situation – der Vater liest einen Brief vor – erlaubt eine individuelle Charakterisierung der einzelnen Familienmitglieder. Die Deutlichkeit der Konturen und die starke Farbigkeit mit ausgeprägten Rottönen erinnert an die französische Porträtmalerei eines Jacques Louis David. Vater und Tochter verkörpern in ihrer Natürlichkeit das in der Sattelzeit um 1800 ausgebildete Ideal eines von Konventionen freien Menschen.

Im Porträt des Biedermeier, einer betont bürgerlichen Kultur, werden die Dargestellten in einer detailorientierten, oft tüftlerischen Malweise erfasst. Unter den Werken des Lenbachhauses – beispielsweise von Joseph Karl Stieler, Franz Sales Lochbihler, Heinrich Maria Hess, Moritz Kellerhoven und Moritz von Schwind – finden sich auffallend viele Selbstbildnisse und Porträts von künstlerisch tätigen Freund*innen.

Jan Polack
Bildnis eines jungen Mannes, undatiert, 1490er Jahre
George Desmarées
Anna Maria Gräfin Holnstein, um 1756
Maria Elektrine (Freifrau von) Freyberg(-Eisenberg)
Kinderporträt (Natalie Stuntz, Nichte der Künstlerin), 1826
Joseph Hauber
Familie Schleichenpflueg, 1811

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"Wir haben die herrlichsten Gegenden, und so ganz romantische Landschaften in Bayern, dass ich versichert bin, die größten Künstler, wenn sie dieselben jemals gesehen hätten, würden sich freuen, ihr Talent hier zu üben"
Lorenz Westenrieder, bayerischer Aufklärer und Historiker, 1782

Die Anfänge der porträthaften Naturwiedergabe im späten 18. Jahrhundert waren in München begleitet von der Entdeckung der bayerischen Landschaft. Beeinflusst von aufgeklärtem Gedankengut Jean Jacques Rousseaus und mit wachem Auge für die malerischen Schönheiten des Voralpenlandes gingen die Maler*innen aus der Stadt hinaus in die Natur. Statt nach Vorbildern wie Claude Lorrain oder Jacob van Ruisdael komponierte Ideallandschaften zu malen, suchten sie sich die Motive vor Ort. Das Publikum folgte den Künstler*innen: Ausflüge in die Umgebung Münchens wurden zunehmend populär.

Zur ersten Generation der Münchner Landschafter*innen gehörten Johann Georg von Dillis, Wilhelm von Kobell, Max Joseph Wagenbauer, Johann Jakob Dorner d. J. und Simon Warnberger. Ihre vor Ort skizzierten Natureindrücke leiteten eine neue, unakademische Landschaftsauffassung ein. Maler*innen wie Wilhelm von Kobell prägten mit bunter, bäuerlicher oder bürgerlicher Staffage unter weitem Himmel eine spezielle Form der Münchner Landschaftsmalerei. Diesen Typus, der noch bis um die Mitte des Jahrhunderts bei Heinrich Bürkel zu finden ist, könnte man als Genre-Landschaft bezeichnen. Es folgten der seinerzeit weltberühmte Carl Rottmann, Ernst Fries und Ernst Kaiser, aber auch "Nordlichter" wie Christian E. B. Morgenstern, Christian Ezdorf und Thomas Fearnley.

Ursprünglich wurde die Landschaftsmalerei an der 1808 gegründeten Kunstakademie gelehrt. Dillis war der erste Professor für das Landschaftsfach, bis er auf eigenen Wunsch 1814 von Kobell abgelöst wurde. Der Historienmaler Peter Cornelius bewirkte 1826 die Aufhebung des Lehrstuhls. Inzwischen hatte sich jedoch mit dem 1823 gegründeten Münchner Kunstverein ein Gegengewicht zu Akademie und königlicher Kunstpolitik etabliert. Er war einer der ersten und wichtigsten in Deutschland und bot den Landschaftsmaler*innen eine wichtige Plattform. Heinrich Bürkel, der hier bekannt wurde, beschickte in den 1830er Jahren die Kunstvereine in ganz Deutschland mit seinen Landschaftsbildern. Diese erzählen von einer friedvollen Übereinstimmung von Mensch und Umgebung und prägten besonders die fast zum Klischee erstarrte Vorstellung der oberbayerischen Kulturlandschaft.

Ernst Kaiser
Blick von Oberföhring auf München, 1839
Wilhelm von Kobell
Auf der Gaisalm, 1828
Carl Rottmann
Hirschjagd am Hintersee bei Berchtesgaden, 1823
Heinrich Bürkel
Das Garmischer Tal, 1839

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Johann Georg von Dillis (1759 – 1841) gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstler*innen der Zeit um 1800. Er nahm die Traditionen der klassischen Landschaftskunst auf und überführte sie in eine neue, "realistische" Landschaftsmalerei, wie sie sich im 19. Jahrhundert zunehmend durchsetzte. Als Professor für das Landschaftsfach an der Akademie und als Kunstbeamter und -berater dreier Monarchen spielte Dillis eine bedeutende Rolle in der Münchner Kultur, reiste viel in Europa und pflegte Kontakte mit bedeutenden Zeitgenoss*innen in Rom, Florenz, Mailand, Paris, Wien und Prag.

Seit 1996 befindet sich sein umfangreicher und bedeutender Nachlass als Dauerleihgabe des Historischen Vereins von Oberbayern im Lenbachhaus. Er umfasst rund 8000 Zeichnungen und 40 Skizzenbücher. Nur wenig bildmäßig ausgeführte Werke sind darin enthalten; der Bestand eröffnet vielmehr einen Einblick in das private Leben und Schaffen des in mannigfacher Weise für den bayerischen Hof tätigen Dillis.

Die Zeichnungen und Ölskizzen entstanden in der knappen Freizeit des vielbeschäftigten Kunstorganisators: Da Dillis kaum Gelegenheit für die langwierige Ausführung von Ölgemälden fand, erhielten Ölstudien, Aquarelle und Zeichnungen immer größeres Gewicht. Das Arbeiten "vor der Natur" sah er als die beste Schule im Landschaftsfach an. Damit wurde er zu einem Vorreiter der Pleinair-Malerei in München. Dillis bannte unmittelbare Eindrücke und die ihn faszinierenden Themen seiner Lebenswelt auf Papier – ganz ähnlich wie später Adolph Menzel, von dem der Satz überliefert ist: "Alles Zeichnen ist gut, Alles zeichnen ist besser". Einen bedeutenden Werkkomplex bilden die unterwegs entstandenen Skizzen, unter anderem aus Italien und Frankreich. Auch in der Umgebung von München und im Voralpenland zeichnete Dillis unentwegt. Selbst unscheinbare Vorstadtwinkel und ihre Bewohner*innen interessierten ihn. In seinen letzten Lebensjahren war es ihm jedoch kaum noch möglich, größere Wanderungen zu unternehmen. Der Blick aus seinem Fenster auf den Münchner Prinz-Carl-Garten wurde nun zum häufigsten Sujet. Zahlreiche seiner heute berühmten Wolkenstudien entstanden hier.

Nachlass Johann Georg von Dillis auf bavarikon.de

Johann Georg von Dillis, Wolken mit Theatinerkirche, 1821, Bildersammlung des Historischen Vereins von Oberbayern
Johann Georg von Dillis, Das Lechtal mit Blick auf die Zugspitze, um 1809
Johann Georg von Dillis, Isar mit Praterinsel, undatiert

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Im Jahr 2013 vereinbarten der Kunsthistoriker, Sammler und Stifter Christoph Heilmann und die Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau eine enge Zusammenarbeit auf Dauer. Die nach einem stringenten Konzept über Jahrzehnte aufgebaute Sammlung umfasst mehr als hundert Werke zur deutschen, französischen und skandinavischen Landschaftsmalerei und befindet sich nun als Dauerleihgabe im Lenbachhaus. Ihr reicher Bestand spiegelt entscheidende Aspekte der Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert wider. Die Landschaftsmalerei übernahm im Gefüge der Gattungen bald eine führende Rolle und beharrte entgegen aufkommender nationaler Strömungen vielfach auf einer dezidiert europäischen Ausrichtung. Im freien Reisen und naturnahen Umherstreifen der Maler entwickelte sich eine neue Methodik des Landschaftenmalens.

Die Ausstellungen der Stiftung gelten den frühen Ansätzen des modernen Landschaftsbildes. Ihr Ziel ist es, den Entwicklungen gerecht zu werden, die schon zu Beginn der bürgerlichen Epoche die Landschaftsmalerei zu einer zukunftsweisenden Gattung machten. Diese dezidiert vorimpressionistische Perspektive prägt wesentlich die Ausstellungsunternehmungen der Stiftung.

mehr zur Christoph Heilmann Stiftung

Gustave Courbet
Schwarze Felsen am Strand von Trouville, 1865
Christoph Heilmann Stiftung
Carl Rottmann
Kosmische Sturmlandschaft, 1849
Johan Christian Dahl
Dänische Küste bei Mondschein, 1828

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Eduard Schleich d. Ä. (1812 – 1874), ein bedeutender Wegbereiter der Freilichtmalerei in Deutschland, bildete sich autodidaktisch durch Naturstudien im bayerischen Gebirge aus. Der Apotheker Carl Spitzweg (1808 – 1885), als Maler ebenfalls Autodidakt, begegnete Schleich Mitte der 1830er Jahre in München im antiakademisch eingestellten Künstler*innenkreis wie Thomas Fearnley, Heinrich Crola und Christian E. B. Morgenstern. Gemeinsam kopierten sie Gemälde alter Meister*innen und durchwanderten Bayern und Tirol auf der Suche nach neuen Motiven. Entscheidend für ihre Entwicklung wurde eine 1851 gemeinsam unternommene Reise nach Paris, wo sie die Malerei der Schule von Barbizon kennenlernten, und ein anschließender Besuch der Welt- und Industrieausstellung in London, wo sie Werke von John Constable und Richard Parkes Bonington sahen. Beide fanden zu einer neuen Form der "intimen Landschaftsmalerei", die für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in München charakteristisch werden sollte.

Ihre Künstlerfreundschaft ging so weit, dass sie sich gegenseitig bei der Fertigstellung ihrer Bilder unterstützten. So wird berichtet, dass Schleich Spitzweg bei der Gestaltung des Himmels half und Spitzweg in die Landschaften Schleichs Figuren einfügte.

Spitzwegs Landschaften weisen oft nur ganz kleine Staffagefiguren auf und überlassen fast den gesamten Bildraum der Natur. Berühmt wurde er vor allem für seine kleinformatigen Bilder, die den biedermeierlichen Alltag, kauzige Sonderlinge und romantische Begebenheiten zeigen. Im Gemälde "Die Jugendfreunde" begegnen sich zwei ungleiche Freunde – der Zuhausegebliebene und der Weitgereiste – wie auf einer Bühne. Spitzweg gelingt hier wie in vielen seiner Bilder eine Form der Personencharakterisierung, die vor allem für die englische und französische Karikatur kennzeichnend ist: Die lebenslange, einseitige Beschäftigung einer Person erscheint als Verbiegung der menschlichen Art zu einer grotesken, aber liebenswerten Sonderspezies.

Eduard Schleich der Ältere
Sandgrube an der Schleißheimer Allee, um 1860/1870
Carl Spitzweg
Die Jugendfreunde, um 1855 oder 1862/1863
Carl Spitzweg
Päpstliche Zollrevision, um 1855 oder 1875/80
Eduard Schleich der Ältere, Landschaft in der Umgebung von München, um 1860/70

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Der sogenannte Leibl-Kreis war ein freier Zusammenschluss von Künstlerfreunden, die sich größtenteils auf der Münchner Akademie Mitte der 1860er Jahre kennenlernten. Zu der Gruppe gehörten neben dem Maler Wilhelm Leibl (1844 – 1900) unter anderen Wilhelm Trübner, Carl Schuch, Johann Sperl, Ludwig Eibl, Albert Lang, Theodor Alt, Fritz Schider, Rudolf Hirth du Frênes und für kurze Zeit Hans Thoma und Karl Haider. Mit Ausnahme von Wilhelm Trübner und Hans Thoma, der schließlich ganz andere Wege einschlug, strebte keiner dieser Künstler ein akademisches Amt an oder erlangte eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung. Seit 1873 zog sich Leibl vom Münchner Kunstbetrieb aufs Land zurück und lebte mit dem Maler Johann Sperl in Berbling und Bad Aibling in Oberbayern. Andere wie Carl Schuch hielten sich meist fern von München auf, beispielsweise in Italien.

Für diese Maler stand das "Reinmalerische" im Vordergrund, demgegenüber das Inhaltliche als "literarisch" abqualifiziert wurde. Man wandte sich ebenso gegen die Virtuosität des Münchner Kunstbetriebs. Die Bilder des Leibl-Kreises haben eine meist auf kühle, wenn auch häufig dunkle Töne gestimmte, gewebeartige Struktur, die auf der Benutzung breiter Pinsel beruhte. Um der "Ehrlichkeit" der Malerei willen betrieb man die "Allaprima-Malerei", bei der zwar in verschiedenen Schichten, aber nass in nass gemalt wurde, so dass spätere Korrekturen durch Übermalen nicht möglich waren. Die engste Zusammenarbeit der Maler des Kreises, die sich auch in den verschiedenen Ateliergemeinschaften zeigte, fällt in die frühen 1870er Jahre. Später gingen die Mitglieder eigene Wege. So fand etwa Schuch einen sehr eigenen Stil, der auf extrem pastosem Farbauftrag beruhte. Trübner wandte sich nach 1876 immer wieder der in diesem Kreis verpönten Historienmalerei zu. Leibls Malerei nahm in den neunziger Jahren impressionistische Züge an, wie im "Tierarzt Reindl in der Laube" besonders gut sichtbar wird.

Wilhelm Leibl
Tierarzt Reindl in der Laube, um 1890
Wilhelm Leibl
Kopf eines Blinden, um 1866/67
Carl Schuch
Stilleben mit Porree, um 1886/88
Wilhelm Trübner
Kellerfenster im Heidelberger Schloß, 1871

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Seit der Eröffnung des Glaspalastes als opulentes Ausstellungsgebäude im Jahr 1854 hatte sich München zunehmend zu einem Anziehungspunkt für Künstler*innen nicht nur aus Bayern, sondern aus ganz Deutschland und dem Ausland entwickelt. Hier fand man einen leistungsfähigen Kunstmarkt und eine renommierte Akademie mit Lehrer*innen wie Carl Theodor von Piloty, Wilhelm von Diez oder Franz von Stuck. Die meisten bekannten deutschen Künstler*innen der zweiten Jahrhunderthälfte wurden entweder in München ausgebildet oder lebten hier für eine längere Zeit. Dazu gehören einerseits die sogenannten Malerfürsten Franz von Lenbach und Friedrich August von Kaulbach, andererseits Künstler wie Wilhelm Leibl, Wilhelm Trübner und Hans Thoma sowie die Mitglieder der Münchener Secession wie Lovis Corinth, Max Slevogt und Fritz von Uhde.

Carl Theodor von Piloty wurde 1874 Nachfolger Wilhelm von Kaulbachs als Direktor der Münchner Akademie und übte großen Einfluss aus. Während Kaulbach ein Vertreter des zeichnerischen Klassizismus war, hatte Piloty im Jahr 1852 in Belgien und Frankreich die modernen Richtungen einer malerischen Form der Historienmalerei studiert, die auch Genre-Elemente einschloss. Berühmt für seine großformatigen Historienbilder mit ihren pathetischen Inszenierungen, war er ein Wegbereiter der gründerzeitlichen Malerei in Deutschland. Lenbach, Franz von Defregger, Hans Makart, Wilhelm von Diez, Eduard von Grützner, Gabriel von Max und viele andere haben bei Piloty studiert.

Im Lenbachhaus ist die akademische Malerei Münchens entsprechend dem bürgerlichen Sammlungskonzept nicht durch große repräsentative Gemälde vertreten, sondern vor allem durch kleinere Genre- und Historienbilder, Porträts und freie Studien. Einen Schwerpunkt in der Sammlung bildet die Ausnahmeerscheinung Gabriel von Max. Dieser gab – ein bis dahin unerhörtes Ereignis – nach fünf Amtsjahren seine Professur für Historienmalerei im Jahr 1883 auf, um sich statt den Studenten wieder seiner eigenen Malerei und seinen stetig wachsenden Forschungsinteressen im Bereich des Spiritismus und Darwinismus zu widmen.

Carl Theodor von Piloty
Thusnelda im Triumphzug des Germanikus, um 1869/70
Gabriel von Max
Der Vivisektor, 1883
Dauerleihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung
Franz von Defregger, Das brennende Seppenhaus in Reith, 1890
Hans Makart, Venedig huldigt Catarina Cornero, um 1872

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Als Wassily Kandinsky 1896 aus Moskau nach München übersiedelte, war Franz von Lenbach die bedeutendste Figur der Kunststadt; sein dominierender Einfluss – unter anderem als Präsident der Künstlergenossenschaft – sollte bis zu seinem Tod 1904 anhalten. Der Widerstand gegen Lenbachs Vormacht fand Ausdruck in der Gründung der "Münchener Secession". Sie wurde 1892 als direkte Reaktion auf die Ausstellungspolitik der "Münchener Künstlergenossenschaft" ins Leben gerufen. Im deutschsprachigen Raum war sie die erste offizielle Abspaltung junger Künstler*innen von der großen Gemeinschaft der Etablierten. Ihr Zweck war eine Ausstellungspraxis, die alleine nach künstlerischen Kriterien in gleicher Weise ausländische wie Münchner Kunst berücksichtigen sollte. Man wandte sich damit gegen eine zunehmende Provinzialität der riesenhaften Ausstellungen im Glaspalast, vertrat aber kein spezifisches Programm. Trotz eines expliziten Stilpluralismus zeigte sich einheitlich die Tendenz, den Historismus zu überwinden und eine neue künstlerische Sprache auszubilden – eine flächige und helle Malerei begann sich in den Reihen der Secessionist*innen herauszukristallisieren. Damit bereitete die Secession den Weg in die künstlerische Moderne maßgeblich vor.

1906 wurde die Secessionsgalerie gegründet, eine eigene Sammlung, die mit ausgewählten Werken die Geschichte und den künstlerischen Beitrag dieser Vereinigung dokumentieren sollte. Die Gemälde und Skulpturen der Münchener Secessionssammlung befinden sich seit 1976 als Dauerleihgabe im Lenbachhaus.

Webseite Münchener Secession

Lovis Corinth
Der Pianist Conrad Ansorge, 1903
Dauerleihgabe der Münchener Secession

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Der in Ostpreußen geborene Lovis Corinth (1858 – 1925) studierte von 1876 bis 1880 an der Münchner Akademie und lebte nach Studienaufenthalten in Antwerpen, Paris, Berlin und Königsberg wieder hier, wo er 1892 zu den Gründungsmitgliedern der Münchener Secession gehörte. Im Jahr 1900 übersiedelte er nach Berlin und wurde Vorsitzender der dortigen Secession. 1903 heiratete er seine Schülerin, die Malerin Charlotte Berend. Seit 1918 verbrachte er möglichst viel Zeit in Urfeld am Walchensee in Bayern.
Corinth war einer der vielseitigsten deutschen Maler*innen um die Jahrhundertwende. Seine Entwicklung reicht von einem vielfigurigen, fast kruden Naturalismus über eine impressionistische bis zu einer expressionistischen Phase, in der mythologische Themen zugunsten von Porträts, Landschaften und Stillleben immer mehr in den Hintergrund treten. Im "Selbstbildnis mit Skelett" aus dem Jahr 1896 zeigt sich der 38-jährige Künstler. Das Bild kündigt eine Reihe von Selbstdarstellungen an, die Corinth ab 1900 in ununterbrochener Folge bis zu seinem Tode malte, und die gewöhnlich an seinem Geburtstag am 21. Juli entstanden. Corinth stellt sich hier nicht im Akt des Malens dar, sondern begegnet dem Betrachter mit eindringlichem, mürrischen Blick in massiger Unmittelbarkeit. Ein aufgehängtes Skelett sitzt ihm im Nacken. Im 19. Jahrhundert ein Standardrequisit von Kunstateliers, spielt es hier auf traditionelle Memento-Mori-Darstellungen an.

Max Slevogt (1868 – 1932), neben Corinth der zweite große deutsche Naturalist und Impressionist, lebte in den Jahren 1885 bis 1897 größtenteiIs in München, bevor er nach Neukastel in der Pfalz zog. Seine "Danae" wurde bereits vor der Eröffnung aus der Ausstellung der Münchener Secession von 1899 entfernt, da man befürchtete, dass die realistische Darstellung eines unklassischen Frauenkörpers im Bereich der klassischen Mythologie einen Skandal provozieren könnte.

Max Slevogt
Danae, 1895
Lovis Corinth, Die Logenbrüder, 1898/99
Lovis Corinth, Der Walchensee bei Mondschein, 1920, Dauerleihgabe der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
Max Slevogt, Trabrennen in Ruhleben, um 1920/1921, 2003 an die Erben von Bruno Cassirer restituiert, anschließend rechtmäßig von diesen erworben

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Ende des 19. Jahrhunderts wurde München zu einem Ausgangspunkt und Zentrum des internationalen "Jugendstils". Der deutsche Begriff für diese Erneuerungsbewegung der Kunst, die bald jedes Gebiet des visuellen Lebens erfasste, geht auf die 1896 in München gegründete Zeitschrift "Jugend" zurück. Bedeutende Künstler*innen arbeiteten für diese Zeitschrift, etwa Thomas Theodor Heine, Leo Putz, Carl Strathmann, August Endell, Hermann Obrist und Richard Riemerschmid, die auf dem Gebiet der Malerei, Kunsthandwerk und Architektur tätig waren. Allen voran wirkte Franz von Stuck, der über zwei Jahrzehnte ein einflussreicher Lehrer an der Münchner Akademie war und zu dessen Schüler*innen für kurze Zeit auch Wassily Kandinsky und Paul Klee gehörten.

Franz von Stuck (1863 – 1928) folgte dem Vorbild des eine Generation älteren Lenbach unter moderneren Vorzeichen. Er schuf symbolistische, den Geist des Fin de siècle einfangende Bilder oft mythologischen Inhalts, näherte sich der Secession an, und verkehrte mit Tänzer*innen und Schauspieler*innen, die er auch porträtierte. Nicht mehr der Historismus, sondern ein erneuerter Klassizismus und der Jugendstil prägten sein prächtiges Wohnhaus mit Atelier, das als Gesamtkunstwerk das Bild des mondänen Münchner Künstlerfürsten um die Jahrhundertwende bestimmte. Sein Gemälde "Salome" zeigt die männermordende Femme fatale. Die Darstellung ist beeinflusst von zeitgenössischen Tanzsequenzen, die ab 1904 im Anschluss an die Münchner Uraufführung von Oscar Wildes Drama "Salome" inszeniert wurden und die damalige Moral durch leichte Bekleidung und explizite Erotik schockierten.

Im selben Jahr wie die Jugend entstand auch die politisch-satirische Wochenzeitschrift "Simplicissimus", 1896 gegründet von dem Maler, Grafiker und Schriftsteller Thomas Theodor Heine und dem Verleger Albert Langen. Heines reicher Nachlass befindet sich seit den 1950er Jahren im Lenbachhaus.

Oskar Zwintscher, Bildnis der Frau des Künstlers, 1901, erworben mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung
Richard Riemerschmid, In freier Natur, 1895 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Franz von Stuck
Salome, 1906
Erworben mit Mitteln der Bayerischen Vereinsbank München zum 100-jährigen Bestehen 1969
Carl Strathmann, Der Paradiesbaum mit Schlange, um 1900

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Ausgewählte Werke von Künstler*innen des 19. Jahrhunderts