Werktext
Mit Federzeichnungen wie der "Straßen Zweigung" von 1913 war Paul Klee nach einer Zeit des Experimentierens mit Hinterglasbildern und Schwarzaquarellen wieder in jenes "Urgebiet der psychischen Improvisation" zurückgekehrt, das seinem künstlerischen Wesen zutiefst entsprach. Nach seiner Rückkehr aus Paris im Frühjahr 1912 hatte er Alfred Kubin geschrieben: "Von Paris habe ich allerlei starke Eindrücke mitgebracht. So sehr ich die neusten Bestrebungen auch gerade da schätzen lernte, sehe ich doch ein, dass ich weniger forschen und noch mehr an die Ausarbeitung des Persönlichen gehen soll. Meine Candide-Illustrationen erscheinen mir z. Zt. als Basis zu solchen Bestrebungen sehr geeignet." In diesen Illustrationen, die Klee 1911 in Angriff genommen hatte – die aber erst 1920 einen Verleger finden sollten –, lösen sich Körperhaftigkeit und objektive Erscheinung der Gestalten in eine filigrane, bewegte Zeichensprache auf, die das absurde Treiben der Menschen als burleskes Possenspiel enthüllt.
Der nervöse, zerbrochene Strich wie auch das hastige Getriebensein der winzigen Figuren weisen das Blatt in den Entstehungszusammenhang der Candide-Illustrationen. Am oberen Rand des schmalen Querformats ist die ameisenhafte Betriebsamkeit der Menschen in fragmentarischen Strichbündeln zusammengezogen, der blasse, ungesunde gelbliche Grundton des Aquarells wird in dieser Zone von violetten, grünen und roten Farbwolken überlagert, die den Eindruck flackernder Hast noch verstärken. Das Torkeln und Stürzen durch den Raum unter Verlust der Schwerkraft ist auch den Figuren anderer Zeichnungen Klees in dieser Zeit eigen. Im Falle der "Straßen Zweigung" zeigt es die Nähe zu den großen expressionistischen Straßenbildern etwa der 'Brücke'-Künstler oder auch Lyonel Feiningers. Doch im fragmentarischen Bildraum Klees wird immer ein Abenteuer, eine raumzeitliche Handlung mitgeteilt, entsprechend der exemplarischen Beschreibung einer Graphik in seinem Aufsatz "Schöpferische Konfession". Hier wird von Bildern als Erlebnissen berichtet, "kleine Reisen ins Land der besseren Möglichkeiten".
Klee hat für die "Straßen Zweigung" eine ähnliche Federzeichnung mit zwei sich kreuzenden Straßen weiterverarbeitet, aquarelliert und die Passanten eingefügt. Dieses Blatt war wiederum die "Konstruktion des rein graphischen Ausdrucks" einer verwandten Zeichnung von 1912 gewesen, die den Entwurf in kubische Flächen zergliedert hatte. Das entscheidende Motiv, die Sogwirkung der fliehenden Linien auf die winzigen Menschenfigürchen, wurde erst in der letzten Fassung des Bildes eingebracht.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Der nervöse, zerbrochene Strich wie auch das hastige Getriebensein der winzigen Figuren weisen das Blatt in den Entstehungszusammenhang der Candide-Illustrationen. Am oberen Rand des schmalen Querformats ist die ameisenhafte Betriebsamkeit der Menschen in fragmentarischen Strichbündeln zusammengezogen, der blasse, ungesunde gelbliche Grundton des Aquarells wird in dieser Zone von violetten, grünen und roten Farbwolken überlagert, die den Eindruck flackernder Hast noch verstärken. Das Torkeln und Stürzen durch den Raum unter Verlust der Schwerkraft ist auch den Figuren anderer Zeichnungen Klees in dieser Zeit eigen. Im Falle der "Straßen Zweigung" zeigt es die Nähe zu den großen expressionistischen Straßenbildern etwa der 'Brücke'-Künstler oder auch Lyonel Feiningers. Doch im fragmentarischen Bildraum Klees wird immer ein Abenteuer, eine raumzeitliche Handlung mitgeteilt, entsprechend der exemplarischen Beschreibung einer Graphik in seinem Aufsatz "Schöpferische Konfession". Hier wird von Bildern als Erlebnissen berichtet, "kleine Reisen ins Land der besseren Möglichkeiten".
Klee hat für die "Straßen Zweigung" eine ähnliche Federzeichnung mit zwei sich kreuzenden Straßen weiterverarbeitet, aquarelliert und die Passanten eingefügt. Dieses Blatt war wiederum die "Konstruktion des rein graphischen Ausdrucks" einer verwandten Zeichnung von 1912 gewesen, die den Entwurf in kubische Flächen zergliedert hatte. Das entscheidende Motiv, die Sogwirkung der fliehenden Linien auf die winzigen Menschenfigürchen, wurde erst in der letzten Fassung des Bildes eingebracht.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.