Werktext
Die "Romantische Landschaft" von 1911, von Kandinsky weder als 'Impression' noch als 'Improvisation' bezeichnet, ist keine reine Landschaftsdarstellung, sondern bildet eine Kategorie für sich. Während ihre Form atemberaubend offen und spontan ist, behält ihre Bilderfindung einen hermetischen Zauber. Der Eindruck bewegter Unmittelbarkeit rührt in erster Linie von den drei dahinstürmenden Reitern her, die, aus einer Zone dichter Farben herausbrechend, von rechts nach links den Abhang herabsprengen. Im raschen Tempo nur angedeutet sind die blaue Schräge des Hügels, die beiden aufragenden Formen links und rechts, die blutigrote Sonne und die farbigen Kleckse, die sichtbarer Ausdruck der regen Kräfte der Landschaft zu sein scheinen.
Ihre kaum gebändigte, disparate Energie sammelt sich in den drei Punkten der lang gestreckten Pferde und ist dort eindrucksvoll präsent. Die Schräge des Stürmens der Reiter wird im Bild durch zahlreiche Strichlagen aufgegriffen, die die Dynamik der Bewegung an alle Elemente der umgebenden Landschaft weitergeben. Dabei wirkt der steile hellbraune Fels vorn wie eine latente Bedrohung, an der die Reiter aber offensichtlich vorbeistürmen werden. Die dunkle Form gegenüber, die die Gruppe hinter sich lässt, scheint eine Art Gegenpol zu bilden. Dagegen steht die Offenheit des Weiß, in das die Elemente der "Romantischen Landschaft" mit leichter Hand hineingestreut sind, die graphische Sparsamkeit der Mittel und die Harmonie der Töne.
Kandinsky hat sich viele Jahre später, in einem Brief von 1930, noch einmal zu der besonderen Eigenart dieses Bildes geäußert: "Ich habe 1910 eine 'Romantische Landschaft' gemalt, die mit der früheren Romantik nichts zu tun hatte. Ich habe die Absicht, wieder einmal so eine Bezeichnung zu verwenden … Wo sind die Grenzen zwischen Lyrik und Romantik? … Die kommende Romantik ist tatsächlich tief, inhaltsvoll, sie ist ein Stück Eis, in dem eine Flamme brennt. Wenn die Menschen nur das Eis spüren und die Flamme nicht, desto schlimmer für sie." In der "Romantischen Landschaft" von 1911 hatte Kandinsky die flackernden Rätsel der 'Improvisationen', der "inneren Eindrücke" von der Natur, in den weiten Raum der lyrischen Freiheit transponiert.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Ihre kaum gebändigte, disparate Energie sammelt sich in den drei Punkten der lang gestreckten Pferde und ist dort eindrucksvoll präsent. Die Schräge des Stürmens der Reiter wird im Bild durch zahlreiche Strichlagen aufgegriffen, die die Dynamik der Bewegung an alle Elemente der umgebenden Landschaft weitergeben. Dabei wirkt der steile hellbraune Fels vorn wie eine latente Bedrohung, an der die Reiter aber offensichtlich vorbeistürmen werden. Die dunkle Form gegenüber, die die Gruppe hinter sich lässt, scheint eine Art Gegenpol zu bilden. Dagegen steht die Offenheit des Weiß, in das die Elemente der "Romantischen Landschaft" mit leichter Hand hineingestreut sind, die graphische Sparsamkeit der Mittel und die Harmonie der Töne.
Kandinsky hat sich viele Jahre später, in einem Brief von 1930, noch einmal zu der besonderen Eigenart dieses Bildes geäußert: "Ich habe 1910 eine 'Romantische Landschaft' gemalt, die mit der früheren Romantik nichts zu tun hatte. Ich habe die Absicht, wieder einmal so eine Bezeichnung zu verwenden … Wo sind die Grenzen zwischen Lyrik und Romantik? … Die kommende Romantik ist tatsächlich tief, inhaltsvoll, sie ist ein Stück Eis, in dem eine Flamme brennt. Wenn die Menschen nur das Eis spüren und die Flamme nicht, desto schlimmer für sie." In der "Romantischen Landschaft" von 1911 hatte Kandinsky die flackernden Rätsel der 'Improvisationen', der "inneren Eindrücke" von der Natur, in den weiten Raum der lyrischen Freiheit transponiert.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.