Mit Sonne von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1911
Objektart
Hinterglasbild
Material
Tusche, Öl hinter Ornamentglas, in bemaltem, originalem Rahmen
Maße
30,6 cm x 40,3 cm
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
GMS 120
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Mit Sonne, 1911, Tusche, Öl hinter Ornamentglas, in bemaltem, originalem Rahmen, 30,6 cm x 40,3 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/mit-sonne-30013100
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Werktext

Dieses Hinterglasbild liegt dem Gemälde "Improvisation 21 a" sowie dem später entstandenen Bild "Kleine Freuden" zugrunde (Solomon R. Guggenheim Museum, New York). Die dort auftretenden Elemente sind hier in der stilisierten, beinahe naiven Zeichensprache der Hinterglasmalerei vorbereitet. In der Mitte sieht man hintereinander gestaffelte Hügel, zwei von ihnen sind mit russischen Stadtsilhouetten bekrönt; links galoppieren drei bunte Reiter bergan. Unter ihnen befindet sich ein zurückgelehntes Menschenpaar, über ihnen die weiße Sonne. Über der rechten Bildhälfte hingegen lastet dräuend eine schwarze Wolke, darunter kämpft sich ein weinrotes Boot mit drei Ruderern durch dunkle Wellen, weiter unten ragen zwei halborganische Formen ins Bild. Die leuchtenden Farben der Figuren, insbesondere in Gelb, Rot und Blau, werden durch das schmutzige, vermischte Weiß der Hügel und Landschaftsformationen an ihrer ungetrübten Entfaltung gehindert.

Die Interpretationsversuche dieser Bilderfindung als apokalyptische Vision wurden bereits in Verbindung mit "Improvisation 21 a" erwähnt. Angelica Zander Rudenstine referiert dazu: "Auch Ringbom stellt die Arbeit in den Zusammenhang mit Kandinskys Vorstellung der Apokalypse, derzufolge diese eine neue spirituelle Ära ankündige. Obwohl er auf die Darstellung im Gemälde nicht weiter eingeht, sieht er den beherrschenden Hügel mit den Zwiebeltürmen – wie er auch in dem Umschlagbild "Über das Geistige in der Kunst" vorkommt – als einen direkten Reflex jener Passage des Buches, wo von einer 'großen Stadt' die Rede ist, 'fest nach allen architektonisch mathematischen Regeln gebaut, welche plötzlich von einer unermeßbaren Kraft geschüttelt wird'; die Türme zittern und stürzen zusammen, die Sonne verdunkelt sich, und man bemüht sich vergeblich um die Macht, die Dunkelheit zu bekämpfen … Dieses zentrale Bild des Zusammenbruchs oder der Zerstörung einer Stadt ist, so argumentiert Ringbom, eine Metapher für die zerschlagene materialistische Welt unmittelbar vor der spirituellen Erneuerung." Kandinskys spätere Aussagen zu dem Bild "Kleine Freuden" gehen jedoch in eine ganz andere Richtung, ironisieren den Ernst und lassen sich von den Ausstrahlungen der verschiedenen Teile leiten, die, offenbar formal wie gedanklich vom Einzelgegenstand gelöst, mit leichter Hand über das Bild verstreut werden.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

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