Werktext
Aus dem zusammenstürzenden Durcheinander der "Improvisation Klamm", die wie viele Bilder Kandinskys von 1913-14 den Eindruck eines aufgewühlten Naturphänomens vermittelt, kristallisieren sich bei näherem Hinsehen kleine, graphisch fein gezeichnete gegenständliche Elemente heraus, deren figürlicher Realismus in diesem Stadium von Kandinskys Malerei verblüffend wirkt. Hans Konrad Roethel beschreibt die durcheinander gewirbelten Motivreste wie folgt: "Das Bild ist von Kandinsky unmittelbar nach einem am 3. Juli 1914 gemeinsam mit Gabriele Münter unternommenen Ausflug in die Höllentalklamm bei Garmisch-Partenkirchen gemalt worden. Dieser Hinweis erleichtert das Entschlüsseln des Dargestellten. Vorn erkennt man deutlich ein auf einem Bootssteg stehendes Paar in bayerischer Tracht; unter dem Steg zwei Kähne und vier Ruder. Boote und Steg geben den Hinweis auf den See, der fast die ganze Mitte der Komposition einnimmt. Die Wasseroberfläche ist durch kleine, die Wellen andeutende Pinselstriche definiert. In der Mitte des Sees befindet sich ein Segelboot mit rotem Segel. Eingebettet ist der See in die gewaltige Landschaft des Tals. Eine Kette von Berggipfeln, Himmel und Wolken sowie die untergehende rote Sonne markieren den oberen Abschluss des Gemäldes."
Bei dem aus feinen Linien bestehenden Gebilde vorne rechts handele es sich um einen der Wasserfälle des Tals, "rechts in der Mitte, wohl am Ufer des Sees, befindet sich ein rotes Haus mit schwarzen Fenstern; links davon ein Schienenstrang. Links im Bild scheint sich die mit dem Motiv der russischen Kapelle verschmolzene Kirche von Murnau verirrt zu haben, erkennbar an der dreifachen Wiederholung des gerundeten Turmes." Darüber erhebt sich eine dunkelgrüne, zerzauste Tanne. Alle diese Elemente scheinen unter Verlust der Größenverhältnisse und fester Zuordnung in den chaotischen Wirbel eines Sturms geworfen, dessen Zentrum durch die Säule in der oberen Hälfte der Komposition markiert wird.
Zur Deutung der "Improvisation Klamm" gibt Roethel einen weiteren wichtigen Hinweis: Am linken Bildrand erscheint der weiße Schemen eines dahinsprengenden Pferdes, auf ihm ein apokalyptischer Reiter, der hoch über seinem Kopf eine Balkenwaage mit zwei gewaltigen, deutlich sichtbaren Schalen schwingt. Diese Figur wiederum taucht zusammen mit ganz ähnlichen Motiven – dem Paar auf dem Steg, den Booten und dem Wasserfall – auf einer vom 22. Juni 1914 datierten Bleistiftskizze Kandinskys auf, die er mit dem russischen Wort für 'Sonnenuntergang' versah. Der Besuch in der Höllentalklamm scheint den Anstoß für das Gemälde gegeben zu haben. Auch dieses Bild mit den lustigen bunten Farben und Figürchen fügt sich, als 'Sonnenuntergang' begriffen und unter dem Regiment des apokalyptischen Reiters, in die Untergangsphantasien ein, die für viele Bilder Kandinskys vor dem Ersten Weltkrieg bestimmend sind.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Bei dem aus feinen Linien bestehenden Gebilde vorne rechts handele es sich um einen der Wasserfälle des Tals, "rechts in der Mitte, wohl am Ufer des Sees, befindet sich ein rotes Haus mit schwarzen Fenstern; links davon ein Schienenstrang. Links im Bild scheint sich die mit dem Motiv der russischen Kapelle verschmolzene Kirche von Murnau verirrt zu haben, erkennbar an der dreifachen Wiederholung des gerundeten Turmes." Darüber erhebt sich eine dunkelgrüne, zerzauste Tanne. Alle diese Elemente scheinen unter Verlust der Größenverhältnisse und fester Zuordnung in den chaotischen Wirbel eines Sturms geworfen, dessen Zentrum durch die Säule in der oberen Hälfte der Komposition markiert wird.
Zur Deutung der "Improvisation Klamm" gibt Roethel einen weiteren wichtigen Hinweis: Am linken Bildrand erscheint der weiße Schemen eines dahinsprengenden Pferdes, auf ihm ein apokalyptischer Reiter, der hoch über seinem Kopf eine Balkenwaage mit zwei gewaltigen, deutlich sichtbaren Schalen schwingt. Diese Figur wiederum taucht zusammen mit ganz ähnlichen Motiven – dem Paar auf dem Steg, den Booten und dem Wasserfall – auf einer vom 22. Juni 1914 datierten Bleistiftskizze Kandinskys auf, die er mit dem russischen Wort für 'Sonnenuntergang' versah. Der Besuch in der Höllentalklamm scheint den Anstoß für das Gemälde gegeben zu haben. Auch dieses Bild mit den lustigen bunten Farben und Figürchen fügt sich, als 'Sonnenuntergang' begriffen und unter dem Regiment des apokalyptischen Reiters, in die Untergangsphantasien ein, die für viele Bilder Kandinskys vor dem Ersten Weltkrieg bestimmend sind.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.