Improvisation 26 (Rudern) von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1912
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
97 cm x 107,5 cm
Signatur / Beschriftung
u. r.: KANDINSKY 1912.
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
GMS 66
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Improvisation 26 (Rudern), 1912, Öl auf Leinwand, 97 cm x 107,5 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/improvisation-26-rudern-30018445
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Werktext

Der Untertitel dieser Improvisation bezeichnet den Gegenstand des Bildes. Der mit den ambivalenten Bildmitteln Kandinskys bereits vertraute Betrachter erkennt die Schemen eines Bootes mit ausgelegten Rudern und gebeugt darin sitzenden Gestalten, das schwerelos über eine schillernde Farbfläche dahingleitet. Das Motiv des Bootes gehört in den innersten Kreis von Kandinskys figürlichem Kosmos und taucht seit seinen früheren Werken, etwa dem "Bunten Leben", in vielfältigen Zusammenhängen auf. Armin Zweite wies die verschiedenen Konnotationen dieses Motivs nach, das Abschied und Aufbruch bedeuten, aber auch wie der Reiter eine Metapher für Befreiung sein kann. Es ist möglich, dass solche Bedeutungsaspekte im Bild der "Improvisation 26 (Rudern)" mitspielen, dessen großfiguriges Einzelmotiv für Kandinskys Werke dieser Jahre ungewöhnlich ist.

Ebenso interessant aber ist die formale Eigenart des Bildes, die es zu einem exemplarischen Meisterwerk Kandinskys aus der Phase des entscheidenden Umbruchs seiner Malerei macht. Linie und Farbe haben sich nun völlig getrennt, um eine neue Einheit einzugehen. Der offene Bogen des runden Bootsleibes ist von dem gleichen Krapplackrot wie die Wellenlinie in der oberen Zone des Bildes, die man anhand eines der zugehörigen Aquarelle als Hügellinie definieren kann. Die energischen schwarzen Diagonalen der Ruder und die gebeugten Rückenlinien der Bootsleute gewinnen eine eigene psychische Kraft, die ohne körperliche Gestalt auskommt.

Dem Eigenwert der Linie steht die konstruktive Kraft der autonomen Farbe gegenüber. Ein traumhafter, schwebender Raumzustand zwischen Tiefe und Fläche ist in "Improvisation 26" erreicht, der allein auf der Auswahl und Verteilung der Farben beruht. Abgesehen von deren psychischen Wirkungen, die für Kandinsky über die reine Physik der Wahrnehmung hinaus seelische Vibrationen erzeugen können, gelingt ihm hier mit Farbe die Konstruktion eines ideellen Raums. In seiner Schrift "Über das Geistige in der Kunst" geht Kandinsky auch auf die Experimente der Kubisten mit der Dekonstruktion der traditionellen Perspektive und dem Schaffen eines neuen Bildraums ein. Dagegen hält er andere Möglichkeiten, etwa die Farbe, die, richtig angewendet, vor- oder zurücktreten und vor- oder zurückstreben kann und das Bild zu einem in der Luft schwebenden Wesen machen kann, was der malerischen Ausdehnung des Raumes gleichbedeutend ist. Trotz des flächigen Nebeneinanders von Farben ohne feste Grenzen entsteht die Tiefe eines weiten Bildraums.

Zu diesem Vorgang, der auf einem überlegten Spiel mit gegenläufigen Wirkungen beruht, äußerte sich Kandinsky im "Kölner Vortrag" 1914: "Die Farben, die ich später anwendete, liegen wie auf einer und derselben Fläche, ihr inneres Gewicht war verschiedener Art. So kam das Mitwirken verschiedener Sphären von selbst in die Bilder … Diese Verschiedenheit der inneren Fläche gab meinen Bildern eine Tiefe, die die frühere perspektivische Tiefe glänzend ersetzte. Die Gewichte zerstreute ich so, dass sie kein architektonisches Zentrum zeigten … Ebenso behandelte ich die einzelnen Farbtöne, die warmen abkühlend, die kalten erwärmend, so dass schon eine einzelne Farbe zu einer Komposition erhoben wurde."

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

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"Ruder"