Blaues Pferd I von Franz Marc

Details

Datierung
1911
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
112 cm x 84,5 cm
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
G 13324
Zugang
Schenkung 1965
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Bernhard und Elly Koehler Stiftung 1965
Zitiervorschlag / Permalink
Franz Marc, Blaues Pferd I, 1911, Öl auf Leinwand, 112 cm x 84,5 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Bernhard und Elly Koehler Stiftung 1965
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/blaues-pferd-i-30019621
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Werktext

Das "Blaue Pferd I" ist mit seiner eindringlichen, vom Reiz des Neuanfangs verklärten Symbolkraft zu einem der bekanntesten Bilder Franz Marcs und des 'Blauen Reiter' geworden. Aufgerichtet und kantig-ungelenk steht ein blaues Fohlen voll jugendlicher Kraft vor uns, den Kopf wie sinnend zur Seite geneigt. Während in den leicht gebrochenen Formen seines Leibes Weiß aufscheint, vertieft sich in Hufen und Mähne dunkelstes Marineblau. Das Bildganze wird beherrscht von einem Spannungsfeld komplementärer Kontraste, von Zinnoberrot und Grün unten, über Karminrot und Gelb zu Violett, Blau und Orange in der oberen Zone.

In selten reiner Weise wird hier die Farbtheorie Marcs anschaulich, die für viele seiner reifen Werke maßgeblich ist und die er im Dezember 1910 August Macke ausführlich in einem Brief erläutert: "'Blau' ist das 'männliche' Prinzip, herb und geistig. 'Gelb' das 'weibliche' Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. 'Rot' die 'Materie', brutal und schwer und stets die Farbe, die von den anderen beiden bekämpft und überwunden werden muss! Mischst Du zum Beispiel das ernste, geistige Blau mit Rot, dann steigerst Du das Blau bis zur unerträglichen Trauer, und das versöhnende Gelb, die Komplementärfarbe zu Violett, wird unerlässlich. (Das Weib als Trösterin, nicht als Liebende!). Mischst Du Rot und Gelb zu Orange, so gibst Du dem passiven und weiblichen Gelb eine 'megärenhafte' sinnliche Gewalt, dass das kühle, geistige Blau wiederum unerlässlich wird, der Mann, und zwar stellt sich das Blau sofort und automatisch neben Orange, die Farben lieben sich. Blau und Orange, ein durchaus festlicher Klang. Mischst Du aber Blau und Gelb zu Grün, so weckst Du Rot, die Materie, die 'Erde', zum Leben, aber hier fühle ich als Maler immer einen Unterschied: Mit Grün bringst Du das ewig materielle, brutale Rot nie ganz zur Ruhe … Dem Grün müssen stets noch einmal Blau (der Himmel) und Gelb (die Sonne) zu Hilfe kommen, um 'die Materie zum Schweigen zu bringen …'"

Die Rolle der blauen Farbe als Symbol des Geistigen, des Sieges über das Materielle, ist hier klar ausgesprochen. Im "Blauen Pferd I" dringt Marc endgültig von der natürlichen "Erscheinungsfarbe" zur "Wesensfarbe" (Klaus Lankheit) vor. In seiner Gestalt verbinden sich der Adel des seit jeher vom Menschen hoch geschätzten Pferdes mit dem Streben nach Geistigem – entsprechend dem Programm, dem sich auch Kandinsky mit seiner Symbolgestalt des 'Blauen Reiter' für das Titelblatt des berühmten Almanach verschrieben hat. Doch nicht nur durch seine 'geistige' Farbe, auch formal ist das "Blaue Pferd" ins Pathetische und Ausdruckshafte überhöht. Mit gesenktem Kopf verharrend, macht das Tier den Eindruck eines empfindenden Wesens. Johannes Langner konnte überzeugend nachweisen, dass Marc vielen seiner Tierdarstellungen Haltungen und Kompositionsweisen des traditionellen Figurenbildes unterlegt – etwa die der sinnenden, in den Anblick der Natur versenkten Rückenfigur in Gemälden Caspar David Friedrichs – und dadurch das Tier mit menschlichen Zügen ausstattet. Diese spirituelle Präsenz fand in Marcs berühmtem Bild, dem seit dem Zweiten Weltkrieg verschollenen "Turm der Blauen Pferde" ihre komplexeste und formal überzeugendste Gestalt.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

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