Werktext
Nach seiner Emigration aus Deutschland bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 und Ankunft in Moskau gegen Ende des Jahres konnte Kandinsky Anfang 1915 im oberen Stock seines 1913 errichteten Mietshauses in der Dolgystaße in der Nähe des Zubovsky-Platzes eine zufällig frei werdende 5-Zimmer-Wohnung beziehen. Erst im Juli 1913 hatte er ein anderes Haus aus familiärem Erbe verkauft und sich das große, sechsstöckige Mietshaus mit 24 Wohnungen am Zubovsky-Platz durch den Architekten Dimitri Michailowitsch Tschelichtschew errichten lassen. Im Januar 1917 verkaufte Kandinsky – um ohne Schulden in seine zweite Ehe mit Nina Andrejewskaja gehen zu können – dieses Haus, behielt sich aber das Wohnrecht für die obere Etage vor. Zudem erwarb er ein Nachbargrundstück, in der Absicht, dort ein eigenes Haus mit Ateliergebäude errichten zu lasen. Doch durch die Oktoberrevolution 1917 verlor Kandinsky im Zuge der Enteignungen sein gesamtes Vermögen, einschließlich des kurz zuvor gekauften Grundstücks. Die weiteren Kriegs- und Revolutionsjahre bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland Ende 1921 lebten er und seine Frau mit Einquartierungen weiter in der Wohnung hoch über dem Zubovsky-Platz, zeitweise waren Alexander Rodtschenko und Warwara Stepanowa mit ihren Ateliers dort einquartiert.
In den ersten beiden Jahren nach der Rückkehr nach Moskau kam Kandinskys malerische Produktion fast gänzlich zum Erliegen, er beschränkte sich fast ausschließlich auf Aquarelle und Hinterglasbilder, in denen sich überraschend eine Rückkehr zur Gegenständlichkeit zeigt und ein teilweise figürlich naiv gezeichnetes Personal aus Reifrock-Damen und russischen Märchenfiguren wie ein 'ricordo' aus lang vergangenen Zeiten durch schwebende Farbräume gewirbelt wird. Erst während seines Aufenthaltes in Stockholm 1916 entstanden wieder erste Ölgemälde, darunter das abstrakte "Bild auf hellem Grund" (Musée national d'art moderne, Centre Pompidou, Paris). Nach seiner Rückkehr malte er dann eine Serie von Ausblicken aus dem Fenster seiner Wohnung in gegenständlichem Stil mit locker zusammenfassenden Pinselstrichen und lichten, bunten, delikat abgestuften Farben, in denen Hellblau, Türkis und Gelb dominieren.
Meist wählte er wie in der vorliegenden Version von "Zubovsky Platz" einen engeren Ausschnitt, der den Blick auf die farbige Stadtlandschaft Moskaus in verhältnismäßig starker Aufsicht wiedergibt, oder auch eine leicht versetzte, weiträumigere Perspektive mit dem Blick hinüber zum Kreml. Am 21. Mai 1916 schrieb er Münter auf Französisch nach Stockholm: "Je travaille beaucoup. Je fais tous ce temps des paysages de mes fenêtres: soleil, nuit, ciel gris. Je trouve ca amusant et surtout utile j'enrichie ma palette et j'étudie des harmonies différentes. Et quand je pense que je devrais peutêtre quitter cette maison, ca me fait bien mal." ("Ich arbeite viel. Ich mche die ganze Zeit Landschaften von meinen Fenstern aus: bei Sonne, in der Nach, bei bedecktem Himmel. Ich finde das unterhalsam und auch sehr nützlich, ich bereichere meine Palette und studiere die verschiedenen Farbharmonien. Und wann immer ich denke, ich sollte vielleicht aus dem Haus gehen, fühle ich mich richtig schlecht.")
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.
In den ersten beiden Jahren nach der Rückkehr nach Moskau kam Kandinskys malerische Produktion fast gänzlich zum Erliegen, er beschränkte sich fast ausschließlich auf Aquarelle und Hinterglasbilder, in denen sich überraschend eine Rückkehr zur Gegenständlichkeit zeigt und ein teilweise figürlich naiv gezeichnetes Personal aus Reifrock-Damen und russischen Märchenfiguren wie ein 'ricordo' aus lang vergangenen Zeiten durch schwebende Farbräume gewirbelt wird. Erst während seines Aufenthaltes in Stockholm 1916 entstanden wieder erste Ölgemälde, darunter das abstrakte "Bild auf hellem Grund" (Musée national d'art moderne, Centre Pompidou, Paris). Nach seiner Rückkehr malte er dann eine Serie von Ausblicken aus dem Fenster seiner Wohnung in gegenständlichem Stil mit locker zusammenfassenden Pinselstrichen und lichten, bunten, delikat abgestuften Farben, in denen Hellblau, Türkis und Gelb dominieren.
Meist wählte er wie in der vorliegenden Version von "Zubovsky Platz" einen engeren Ausschnitt, der den Blick auf die farbige Stadtlandschaft Moskaus in verhältnismäßig starker Aufsicht wiedergibt, oder auch eine leicht versetzte, weiträumigere Perspektive mit dem Blick hinüber zum Kreml. Am 21. Mai 1916 schrieb er Münter auf Französisch nach Stockholm: "Je travaille beaucoup. Je fais tous ce temps des paysages de mes fenêtres: soleil, nuit, ciel gris. Je trouve ca amusant et surtout utile j'enrichie ma palette et j'étudie des harmonies différentes. Et quand je pense que je devrais peutêtre quitter cette maison, ca me fait bien mal." ("Ich arbeite viel. Ich mche die ganze Zeit Landschaften von meinen Fenstern aus: bei Sonne, in der Nach, bei bedecktem Himmel. Ich finde das unterhalsam und auch sehr nützlich, ich bereichere meine Palette und studiere die verschiedenen Farbharmonien. Und wann immer ich denke, ich sollte vielleicht aus dem Haus gehen, fühle ich mich richtig schlecht.")
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.