Werktext
Um die Jahre 1913-14 malte Wassily Kandinsky eine Reihe von Bildern, wie etwa "Träumerische Improvisation" oder "Schwarze Striche", in denen kalligrafisch feine, meist schwarze, aber auch farbige Linien vor verwischten Farbgründen unbestimmter Tiefe ein rätselhaftes Eigenleben entfalten. In "Unbenannte Improvisation" kommen durchsichtige Zwitterwesen hinzu, die mit seltener Deutlichkeit die außerordentlich lebendige Organik der abstrakten Formen Kandinskys belegen. Wie aus schwarzer, zentrifugaler Tiefe emporgetaucht, schwebt im Zentrum des Bildes eine durchsichtige Schlingenform. Die hellen kleinen Wellen über ihr oder die geschwungene dunkelblaue Kante rechts mögen ferne Assoziationen an den Rand eines Sees bewahren, mit der wie im Sturm zerzausten Uferzone vorn im Bild.
Die revolutionäre Optik jedoch ist hier ganz auf jene "Eindrücke innerer Natur" umgepolt, die Kandinsky mit seinen 'Improvisationen' angestrebt hatte. Mit milchiger, gläserner Transparenz ziehen sich die Farben überall vom Bildrand zurück – eine Entwicklung, die sich in Kandinskys Bildern während der Kriegsjahre 1915-16 fortschreitend beobachten lässt. Das Zusammenziehen des Bildgeschehens in einem Zentrum, um das nun oft ein heller Rand liegt, führt letztlich wieder zu einer Verfestigung der einzelnen Teile des Bildes. Das aufgewühlte Farbenchaos von Kandinskys 'klassischer' abstrakter Phase vor dem Ersten Weltkrieg erfährt damit eine Beruhigung. In den zwanziger Jahren wird Kandinsky seine gegenstandsfreie Malerei mit einem grundsätzlich geänderten Vokabular fortsetzen.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Die revolutionäre Optik jedoch ist hier ganz auf jene "Eindrücke innerer Natur" umgepolt, die Kandinsky mit seinen 'Improvisationen' angestrebt hatte. Mit milchiger, gläserner Transparenz ziehen sich die Farben überall vom Bildrand zurück – eine Entwicklung, die sich in Kandinskys Bildern während der Kriegsjahre 1915-16 fortschreitend beobachten lässt. Das Zusammenziehen des Bildgeschehens in einem Zentrum, um das nun oft ein heller Rand liegt, führt letztlich wieder zu einer Verfestigung der einzelnen Teile des Bildes. Das aufgewühlte Farbenchaos von Kandinskys 'klassischer' abstrakter Phase vor dem Ersten Weltkrieg erfährt damit eine Beruhigung. In den zwanziger Jahren wird Kandinsky seine gegenstandsfreie Malerei mit einem grundsätzlich geänderten Vokabular fortsetzen.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.