Senga Nengudi

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Fotografie Senga Nengudi Performance Piece 1977 Foto-Triptychon (Detail)

Eine legendäre Avantgarde-Künstlerin, deren bedeutende Installationen in einen Koffer passen – so beschrieb die Künstlerkollegin Lorraine O'Grady einst Senga Nengudi und ihr Werk.

Seit fünf Jahrzehnten entwickelt Nengudi, die 1943 in Chicago geboren wurde, ein einzigartiges Œuvre, das sich zwischen Bildhauerei, Performance und Tanz bewegt. Schon als junge Künstlerin und Studentin, die in Los Angeles parallel Bildhauerei Skulptur und Tanz studierte, suchte Nengudi diese Disziplinen miteinander zu verbinden. Mitte der 1960er Jahre studierte die damals 22-Jährige für ein Jahr an der Waseda University in Tokio, um sich intensiver mit der japanischen Kultur und der Künstlervereinigung Gutai auseinanderzusetzen. Obwohl sie die Gutai-Mitglieder nie traf, waren deren Experimente in Performance, Theater und Skulptur maßgeblich für sie. Japanische Theaterformen wie Kabuki und Butoh, aber auch westafrikanische rituelle Praxen prägen bis heute Nengudis Formensprache.

Ihrem Interesse an Tanz und Improvisation entsprechend sind nahezu alle ihre Werke durch Bewegung charakterisiert: Die Formen der "Water Compositions" – Skulpturen aus Kunststoff und gefärbter Flüssigkeit, die in den frühen 1970er Jahren entstehen – werden vom Volumen des Wassers mitbestimmt. Die "Stoffgeister", die Nengudi einige Jahre später in den Straßenzügen des New Yorker Stadtteils Harlem installiert, flattern im Wind. Die anthropomorphen R.S.V.P.-Skulpturen, für die Strumpfhosen mit Sand gefüllt und mit Fundstücken kombiniert werden, vollziehen eine langsamere Bewegung: ihr Material steht unter Spannung und fällt langsam aus seiner ursprünglichen Form. Nengudi versteht den Titel R.S.V.P. für "Répondez s'il vous plaît" oder "Um Antwort wird gebeten" als Einladung an Betrachter_innen, den Werken ohne Scheu zu begegnen. Einige dieser Nylon-Skulpturen werden in choreografierten Performances zu Tanzpartnerinnen.

Bevor Nengudi 1989 nach Colorado Springs in der Nähe von Denver zog, wo sie bis heute wohnt, lebte sie über Jahrzehnte in Los Angeles. Die Stadt an der US-amerikanischen Westküste war in den 1960er bis 1980er Jahren Zentrum einer dynamischen afroamerikanischen Kunstszene, die Nengudi entscheidend mitgestaltet hat. Dort fand sie sich mit Künstlerinnen und Künstlern wie David Hammons, Maren Hassinger, Ulysses Jenkins, Barbara McCullough und Frank Parker zu gemeinsamen Performances und Aktionen zusammen, die oftmals im Freien improvisiert wurden. Die Performance – allein oder im Kollektiv, im Atelier wie im öffentlichen Raum – bleibt ein Dreh- und Angelpunkt ihres Arbeitens.

Nengudi betrachtet ihre Werke als materiellen Ausdruck gedanklicher Experimente. Viele ihrer Skulpturen aus den 1970er-Jahren waren für den Moment ihrer Präsentation gedacht und existieren heute nicht mehr. "Dauerhaftigkeit hatte für mich nie Priorität – zum Leidwesen vieler", schreibt sie dazu in einem ihrer Statements. Hinter dieser Aussage verbirgt sich Nengudis Überzeugung, dass das Ziel der Kunst nicht ihre Aufbewahrung und Kanonisierung ist, sondern ihre Fortsetzung.

Kuratiert von Stephanie Weber und Anna Straetmans

Weitere Station:

Das Museu de Arte de São Paulo (MASP) zeigt die Ausstellung in leicht veränderter Form vom 13. Oktober bis 15. November 2020, weitere Stationen sind das Denver Art Museum vom 13. Dezember 2020 bis 11. April 2021 und das Philadelphia Museum of Art vom 1. Mai bis 25. Juli 2021.

Stimmen

"Die beiden großen Emanzipationsbewegungen des 20. Jahrhunderts – die der Frauen und der afroamerikanische Kampf für die Bürgerrechte – bilden die Folie für diese vielschichtigen Arbeiten. Für die Performances, die in Galerien ebenso wie im öffentlichen Raum stattfanden, ließ sie sich vom japanischen Butoh- und Kabuki-Theater gleichermaßen wie von Tanzriten aus Westafrika inspirieren. Dabei wurden die Strümpfe zu filigranen Gespinsten, für die das Material in dünne Streifen geschnitten, erstaunlich gedehnt und gezogen wurde."

Roberta De Righi, Abendzeitung München

"Doch vor allem die Aktivierung sollte die Skulpturen der Serie "R.S.V.P." berühmt machen, deren Titel die höfliche Formulierung "Um Antwort wird gebeten" aufgreift. Die Tänzerin Maren Hassinger sagt, es sei eine spontane Idee gewesen, dass sie mit der "Nylon Mesh Series" interagieren solle als diese in einer Galerie in Los Angeles ausgestellt waren. Die Fotografien, die dabei entstanden sind, gehören inzwischen zum Kanon der jüngeren amerikanischen Kunstgeschichte, schlagen eine Brücke zur Bildhauerinnen wie Louise Bourgeois oder Eva Hesse und zu einflussreichen Tänzern und Musikern wie Merce Cunningham und John Cage."

Catrin Lorch, Süddeutsche Zeitung

"Zu entdecken ist eine Avantgardekünstlerin mit betörender Minimal Art, Kunst, die sanft aufrüttelt und in ihrer historischen Dimension viel erzählt von dem Black Art Movement und den leidenschaftlichen Kunstauseinandersetzungen der Moderne."

BR 24 kulturWelt

Video

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Tanzperformance von Julie Anne Stanzak mit Senga Nengudi's "Performance Piece" (1977)

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ZOOM IN – Senga Nengudi

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