Voices Unbound: Artists in Conversation

von Magnus Elias RosengartenMai 2025

Voices Unbound: Artists in Conversation

Titelbild: Studio Tegene Kunbi. Foto: Tegene Kunbi

"Voices Unbound, Artists in Conversation" am Lenbachhaus präsentiert Gespräche mit Künstler*innen, die dem Publikum einen emotionalen Zugang zu zeitgenössischen Kunstpraktiken ermöglichen. Die Gesprächsreihe strebt eine Diskussionsatmosphäre an, die den aktuellen Paradigmenwechsel in der Welt der zeitgenössischen Kunst widerspiegelt: von einem eurozentrischen Verständnis hin zu einem Bewusstsein, das jene engen Grenzen überschreitet und die ihr innewohnenden ästhetischen Regeln gründlich hinterfragt.1 Dies erfordert eine besondere Aufmerksamkeit für die sozialen und politischen Bedingungen, die die Praktiken der Teilnehmenden geprägt haben und weiterhin beeinflussen. Daher beschäftigt sich "Voices Unbound" auch mit diesen Parametern und ihrer Rolle in der künstlerischen Entwicklung oder Biografie der Gesprächspartner*innen der Reihe.

Das erste Gespräch findet am 8. Mai 2025 um 18 Uhr live (ENTFÄLLT) im Kunstbau des Lenbachhauses in München mit Serafine1369 statt, Performancekünstler*in und Tänzer*in, während die übrigen Gespräche aufgezeichnet und auf dem YouTube-Kanal des Lenbachhauses veröffentlicht werden. In der Reihe, deren Episoden jeweils rund 60 Minuten dauern, werden Künstler*innen aus Frankreich, Martinique, Guadeloupe und dem Vereinigten Königreich vorgestellt, die in verschiedenen Disziplinen (Performance, Film/Video, Zeichnung und Malerei) arbeiten und überwiegend innerhalb der globalen afrikanischen Diaspora tätig sind: Jimmy Robert (Deutschland/Frankreich/Guadeloupe), Julien Creuzet (Frankreich/Martinique) und Serafine1369 (Vereinigtes Königreich).

Jimmy Roberts Praxis stellt den Körper und seine Personifizierung durch Materialien, oft Papier, in den Mittelpunkt und spielt dabei an den Schnittstellen von Kunstobjekt, Performance und Kunstgeschichte. In Roberts spielerischer Überschreitung der Gattungen, in der Art und Weise, wie zwei- und dreidimensionale Strukturen in unterschiedlichste Medien, zum Beispiel Film und Fotografie, übersetzt werden, verwandelt er das Prinzip der Collage und Decollage in eine zeitgenössische visuelle Formensprache.

Julien Creuzets interdisziplinärer Ansatz umfasst darüber hinaus Skulptur, Poesie, Musik, Video und Animation und hinterfragt die vielschichtige und komplexe französische Kolonialgeschichte. Der Künstler setzt neben seinen skulpturalen Arbeiten auch performative Aspekte und Musik/Gesang ein, die oft in komplexen Montagen oder Environments gipfeln.

Serafine1369 versteht Tanz und Bewegung als eine orakelartige Praxis. Die Arbeit ist geprägt von einem Interesse an den unsichtbaren Systemen und Strukturen, die Körper im Leben lenken. Die intensiven Atmosphären, die Serafine1369s Arbeit heraufbeschwört, werden oft durch die Spannungen zwischen Dingen hervorgerufen, die Bedeutungen herstellen, und beziehen die Körper des Publikums wie auch die der Performer*innen mit ein.

Gastgeber Magnus Elias Rosengarten ist Autor und Kurator mit Fokus auf den komplexen Beziehungen zwischen Körper und Raum in der zeitgenössischen Kunst. Zentrale Fragen seiner Arbeit sind: Welche Räume machen manche Körper zu einem politischen Thema und andere nicht? Wer hat die Macht, Körper zu definieren, und welche Realitäten werden in diesem Sinne geschaffen? Nicht-westliche Epistemologien sind Pfeiler und Werkzeugkasten für seine Arbeit, insbesondere wenn es um die dringende Aufgabe geht, Körper und Narrative sichtbar zu machen, die sich ständig in der Diaspora bewegen.

Der gemeinsame Nenner der Gruppe ist ein starker Fokus auf den menschlichen Körper als Medium und Referenz, mit dem existenzielle Fragen wie Zugehörigkeit, Identität und Migration verhandelt werden. Mitten im Schaffensprozess der Künstler*innen vermittelt die Gesprächsreihe neben dem intellektuellen Austausch auch einen emotionalen Zugang zu den Werken der Gruppe und bietet dem Publikum eine erlebnisorientierte Dimension innerhalb der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst. 

Das Titelbild des Projekts zeigt den äthiopischen Künstler Tegene Kunbi in seinem Berliner Atelier, Gewinner des Grand Prix Léopold auf der Dak'Art Biennale 2022 in Senegal; es dient als Allegorie für die Gesprächsreihe: "Voices Unbound: Artists in Conversation" betont den künstlerischen Prozess und beabsichtigt, in intimen, überdurchschnittlich langen Gesprächen eine Sprache für ihn zu finden. Kunbis Praxis speist sich aus einer Vielzahl visueller Formensprachen, darunter die äthiopische Ikonenmalerei und Einflüsse westlicher Abstraktion. Diese eklektische Verschmelzung verschiedener Referenzen beschwört den Geist von "Voices Unbound: Artists in Conversation" als einen Gesprächsraum, der ästhetische Grenzen und Vorstellungen von Reinheit überschreitet.

Alles in allem hinterfragt "Voices Unbound: Artists in Conversation" kritisch, wer in den gesellschaftlichen Sphären von Kultur und Kunst das Recht zu sprechen hat.2 Daher spielen die Stimmen der Künstler*innen und ihre Präsenz in diesen sich entfaltenden Dialogen eine zentrale Rolle für die laufenden Transformationsprozesse europäischer Museen.   

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1. Fred Moten (2007) Preface for a solo by Miles Davis, Women & Performance: a journal of feminist theory, 17:2, 217-246
2. Kilomba, Grada, Plantation Memories: Episodes of Everyday Racism, Unrast Verlag, 2023.

Künstler*innen