Fenêtres sur la ville von Robert Delaunay

Details

Datierung
1914
Objektart
Gemälde
Material
Wachsmalerei auf Pappe
Maße
28,8 cm x 20 cm
Signatur / Beschriftung
u. l.: r. delaunay
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
AK 1
Zugang
Leihnahme
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
Zitiervorschlag / Permalink
Robert Delaunay, Fenêtres sur la ville, 1914, Wachsmalerei auf Pappe, 28,8 cm x 20 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/fenetres-sur-la-ville-30030992
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Werktext

Vorbereitet durch die Serie seiner Bilder zu "La Ville", auf der in kubistischer Zerstückelung und unter einem pointillistischen Farbraster – umgeben von der Staffage eines Vorhangs – der Blick über die Dächer von Paris auf den Eiffelturm gezeigt wird, schuf Delaunay ab April 1912 in rascher Folge die Serie seiner "Fenêtres". In ihnen vollzieht er nach der 'Dekonstruktion' der vorangehenden Zyklen die 'Konstruktion' des Bildes allein aus autonomen Farbrastern, die keiner äußeren Abbildungsfunktion mehr folgen, sondern sich nach eigenen Bewegungsgesetzen in der Fläche entwickeln und dabei die traditionelle Fixierung der Darstellung auf Räumlichkeit, Volumen und Motiv buchstäblich gegenstandslos werden lassen. Zwar ist auf allen Bildern dieser Serie die grüne oder bläuliche Silhouette des Eiffelturms noch zu erahnen, doch die "Fensterbilder" bedeuten weit mehr als die Darstellung des Ausblicks auf den Turm durch Fensterscheiben, auf denen sich das Licht in farbigen Prismen reflektierend bricht. Das Material der Farben selbst, ihre Form schaffenden Energien, Intervalle und Kontraste werden hier zum Thema der Malerei, wobei sich Delaunay auf neuartige Weise der von dem Chemiker Chevreul entdeckten 'Simultankontraste' bedient, die im Gegensatz zu Komplementärkontrasten zu keinem Ausgleich gelangen, sondern jede Farbe zur Gegenfarbe des benachbarten Feldes herüberziehen und so das Auge in ständiger Bewegung halten.

Dieser weitreichende Prozess der Ablösung vom Gegenstand durch vibrierende Farbfelder und die Umstrukturierung der Bildaussage wurde von den deutschen Künstlern in seiner Bedeutung klar erkannt; die "Fensterbilder" stießen hier, anders als in Frankreich, auf einen begeisterten Empfang. Als Erster sah und besprach Paul Klee Bilder der neuen Serie im Juli 1912 auf der Ausstellung des 'Modernen Bundes' in Zürich. In ähnlich enthusiastischem Sinn reagierten auch Marc und Macke bei ihrem Besuch in Delaunays Atelier in Paris im Oktober 1912. Noch auf der Rückfahrt schrieb Marc an Kandinsky: "Er arbeitet sich zu wirklich konstruktiven Bildern durch, ohne jede Gegenständlichkeit, man könnte sagen: rein klangliche Fugen."

Anlässlich der großen Einzelausstellung Delaunays mit zahlreichen "Fensterbildern" in Berlin und Köln sprach Guillaume Apollinaire erstmals von "Orphismus", einer farbigen Spielart des Kubismus, um die transparente Prismenmalerei Delaunays zu charakterisieren. Diese Anregung eines farbig zersplitternden Orphismus wurde grundlegend für das reife Werk von Franz Marc und August Macke bis 1914. Das kleine "Fensterbild" aus der Sammlung des Lenbachhauses ist nicht datiert, entstand jedoch einer Liste Delaunays zufolge erst 1914. Mit der Technik in Wachskreide mit Weißhöhungen ist die Transparenz einer gewissen Verdichtung gewichen, die zentrifugalen 'Propellerformen' in der oberen Bildhälfte weisen auf die gleichzeitige Serie der "Kreisformen" hin, die für Delaunay ebenfalls reine Farbenergie und eine entsprechend bewegte, moderne Seherfahrung verkörperten.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

Audio

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