Aus aktuellem Anlass
München, 5. Februar 2024
Statement des Lenbachhauses
In einigen Medien wurde die Behauptung aufgestellt, das wissenschaftliche Team des Lenbachhauses habe den Bildtitel eines Gemäldes von August Macke "zensiert".
Dieser Behauptung möchten wir hiermit widersprechen.
Als öffentliches Museum sind wir verpflichtet, den Blauen Reiter und sein Werk im historischen Kontext kritisch zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts erfordert eine Beschäftigung mit historischen Quellen, deren Äußerungen in Sprache und Bild mitunter herabwürdigende oder sogar rassistische Elemente enthalten können.
Daher gilt es einerseits, die Quellen ungeschönt und kritisch darzustellen, und anderseits, ein möglichst respektvolles Miteinander in unserer Gegenwart sicherzustellen. Diese Abwägung treffen wir täglich und für jeden Einzelfall aufs Neue. Dies gebietet uns die Verantwortung einer der reflektierten Geschichtswissenschaft verpflichteten Institution, die in ihrer Arbeit dem internationalen wissenschaftlichen Standard folgt.
Selbstverständlich verändern wir in keiner Weise die historischen Quellen, die uns überantwortet wurden. Für das in Rede stehende Gemälde ist kein Titel von August Macke überliefert; der seit langem verwendete Titel stammt von Bernhard Köhler, Mentor und Sammler August Mackes. Er besaß das Werk einst und vermerkte den Titel auf der Rückseite der Leinwand.
Der von Köhler vergebene Werktitel wird von unseren nationalen und v. a. internationalen Gästen mitunter als rassistisch empfunden, daher wollen wir ihn nicht auf dem Titelschild unkommentiert reproduzieren. Die Ersetzung der Buchstaben des sogenannten I-Wortes durch Asteriske (I*******) lässt die klare Erkennung zu, um welches Wort es sich handelt. Gleichzeitig werden von der Fremdbezeichnung betroffene Menschen nicht unmittelbar durch das Wort beleidigt. Im Begleitheft und dem Text neben dem Gemälde haben wir das Wort in Anführungszeichen ausgeschrieben, da der Begriff dort kritisch kontextualisiert wird.
Das Kunstwerk von August Macke war seit 2021 in der jüngsten Ausstellung unserer Sammlung des Blauen Reiter zu sehen. Das Titelschild war mithin bis zum 28. Januar 2023 öffentlich zugänglich. Seither ist diese Präsentation geschlossen, um die seit einem Jahr geplante, neue Ausstellung aufzubauen. Der Termin resultiert aus der seit über vier Jahren geplanten Schau "Expressionists, Kandinsky, Münter and The Blue Rider", die am 24. April 2024 in der Tate Modern in London eröffnet und fast ausschließlich aus Leihgaben des Lenbachhauses besteht.
Ab dem 12. März können Sie im Lenbachhaus die neue Ausstellung "Der Blaue Reiter. Eine neue Sprache" besuchen.
Als international agierendes Museum arbeiten wir mit Partnern und Gästen aus der ganzen Welt. Die von den betroffenen Personen als rassistisch empfundenen Fremdbezeichnungen möchten wir daher aus Gründen des notwendigen Respektes vermeiden. Dafür erhalten wir von vielen Menschen und Institutionen großes Lob und breite Zustimmung.
Insofern sind wir der Meinung, dass diese Handhabung zur Zeit die angemessene ist. Vorschlägen stehen wir jederzeit offen gegenüber. Anfragen, die die Form wahren, beantworten wir gern und wir treten auch gern ins Gespräch mit Menschen, die sich ihre Meinung erst noch bilden möchten.
Respekt ist das oberste Gebot im Umgang miteinander. Dazu gehört es auch, eine Sprache zu finden, die sich gegen alle Formen von Diskriminierung wendet. Unsere Institution verpflichtet sich zu Gleichheit, Inklusivität und Respekt für die Würde jedes Einzelnen.
Daher sind wir auch betroffen davon, wie unsachlich über unsere um Respekt bemühte Arbeit berichtet wird. Zudem werden uns - meist anonym - Nachrichten zugesendet, die in Unkenntnis der Fakten uns als "Lenbachhaus" und als Privatpersonen angreifen, verunglimpfen und bedrohen.
Wir bitten alle um die Versachlichung der notwendigen Auseinandersetzungen unserer wissenschaftlichen Arbeit und eine respektvolle Behandlung des Personals des Lenbachhauses.
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München