Julius Eastman

Minimal MusicFebruar/März 2022

Julius Eastman

Konzerte im Kunstbau
mit den Münchner Philharmonikern, dem Münchener Kammerorchester und dem Kukuruz Quartett

Das Lenbachhaus veranstaltet im Februar und März 2022 mehrere Konzerte mit Werken des US-amerikanischen Komponisten Julius Eastman (1940–1990). Eastman war ein Vertreter der Minimal Music und komponierte vor allem für kleinere Ensembles, darunter Klavierquartette. Die selten gespielte und anspruchsvolle Musik ist ein eindrückliches Beispiel für die internationale und gattungsübergreifende Bewegung des Minimalismus. Die Konzerte im Kunstbau des Lenbachhauses verstehen sich als musikalische Ergänzung zu bedeutenden Werken der Minimal Art in der Sammlung des Museums, etwa von Dan Flavin, Marcia Hafif, Rosemary Mayer, Robert Morris, Senga Nengudi, Charlotte Posenenske und Richard Serra. Zudem sind einzelne Stücke von Eastman wichtige frühe Zeugnisse für die Thematisierung von Rassismus und Homophobie in unseren Gesellschaften. Bereits seine originalen Werktitel konfrontieren uns mit dieser Thematik: Mit Nigger* Faggot (1978), Evil Nigger* (1979) oder Gay Guerrilla (1980) spricht Eastman rassistische oder homophobe Themen bewusst und direkt an, um niemandem die Möglichkeit zu lassen, sich der Realität dieser Diskriminierungen zu entziehen. Analog zu den Titeln hat Eastman eine ästhetisch-musikalische Entsprechung zu den strukturellen Rassismen seiner Zeit entwickelt, die bis heute bestehen. Dabei ist die Aktualität seiner Kompositionen ein trauriger Umstand, führt er uns doch vor Augen und Ohren, dass wir auch Jahrzehnte später noch immer weit von einer diskriminierungsfreien Sprache und Gesellschaft entfernt sind. Die verbale Gewalt der Werktitel ist daher unbedingter Teil von Eastmans ästhetischer Arbeit und diese müssen im Kontext der Aufführungen ausgeschrieben werden, um die Integrität seiner Arbeit und seiner Intentionen nicht zu gefährden.

Der Sammlungsbestand des Blauen Reiter – einer Gruppe von Künstler*innen, die sich für die Gleichberechtigung und wechselseitige Erhellung aller Künste positioniert hatten – führt zu einem programmatischen Schwerpunkt im Lenbachhaus, der bildende Kunst und Musik verbindet. Diesen verfolgen wir seit einigen Jahren konsequent mit außergewöhnlichen Projekten. Dazu gehören der erste großangelegte installative Auftritt der Musikformation Kraftwerk 2011, der Playback Room von Wolfgang Tillmans 2016, die Ausstellung Electric Ladyland von Michaela Melián 2016, die Uraufführung der Symphony 80 von Ari Benjamin Meyers gemeinsam mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunk 2017, die Installation White Circle von raster-noton 2018 und die Uraufführung des Prekären Singspiels Prekärotopia von Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner 2019. 2022 folgt die Soundinstallation Spatial Jitter des Elektro-Duos Mouse on Mars. Auch unser Rahmenprogramm widmet sich immer wieder musikalischen Themen, wie etwa in den Kooperationen mit der Bayerischen Staatsoper.

Kurzbiographie von Julius Eastman
Julius Eastman (1940 in New York City – 1990 in Buffalo, New York) war ein US-amerikanischer Komponist, Pianist und Sänger. Er war ein Vertreter der Minimal Music. Seit seinem 14. Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht am Ithaca College. 1959 folgte ein Kompositions- und Klavierstudium am renommierten Curtis Institute of Music in Philadelphia.

Nach seinem erfolgreichen Konzertdebüt als Pianist 1966 in der Town Hall in New York City zog Eastman nach Buffalo. Dort schloss er sich dem Center for the Creative and Performing Arts an und lehrte ab Anfang der 1970er Jahre als Assistant Professor of Music an der SUNY Buffalo. Während dieser Zeit komponierte er zahlreiche Stücke für das von ihm mitbegründete S.E.M. Ensemble und führte diese zusammen mit dem tschechischen Komponisten und Dirigenten Petr Kotík mehrfach auf. 1973 schuf Eastman eines seiner Schlüsselwerke: Stay On It gilt bis heute als eines der frühesten Beispiele für postminimalistische Musik, die Einflüsse aus der populären Musik beinhaltet.

1975 endete Julius Eastmans produktive Phase in Buffalo. Nach einem Konflikt mit dem zu der Zeit bereits sehr bekannten und einflussreichen John Cage zog er nach New York. In kurzer Zeit entstanden mehrere seiner bedeutenden minimalistischen Kompositionen, die provokative Titel wie Evil Nigger*, Gay Guerrilla und Crazy Nigger* tragen. Diese 1978/79 entstandenen Stücke folgen dem von Eastman so genannten "organischen" Prinzip: jeder Abschnitt einer Komposition beinhaltet grundsätzlich alle Informationen der vorangegangenen Abschnitte, wobei logische Auslassungen möglich sind. Auf diese Weise baut er serielle Kompositionsstrukturen nach dem Prinzip der Wiederholung auf.

Julius Eastman starb am 28. Mai 1990 mit nur 49 Jahren an Folgen eines Herzstillstandes in Buffalo.

*Hierbei handelt es sich um die Originaltitel des Komponisten. Julius Eastman legte den Begriff bewusst als rassistisch offen und machte damit insbesondere Nicht-Schwarze Menschen auf strukturellen Rassismus und verbale Gewalt aufmerksam. Wir haben uns daher entschieden, den Originaltitel von Eastman im Kontext der Aufführung seiner Werke auszuschreiben.

Kuratiert von Eva Huttenlauch und Matthias Mühling
Mit freundlicher Unterstützung des Förderverein Lenbachhaus e.V.

Programm:

8. Februar 2022, 20 Uhr
Femenine (1974)

Musiker*innen der Münchner Philharmoniker
Klavier und Leitung: Miguel Pérez Iñesta

Programmheft 8. Februar (PDF)
Zum Livestream am 8. Februar

5. März 2022, 20 Uhr

Prelude to The Holy Presence of Joan d'Arc (1981)
The Holy Presence of Joan d’Arc (1981) (Fassung für Streichorchester)
Buddha (1984) (Fassung für Streichorchester von Philip Bartels, 2022)

Münchener Kammerorchester

Programmheft 5. März (PDF)
Zum Livestream am 5. März

11. und 12. März 2022, jeweils 20 Uhr
Fugue no. 7 (1983)
Evil Nigger* (1979)
Gay Guerrilla (1979)

Kukuruz Quartett:
Philip Bartels, Klavier
Duri Collenberg, Klavier
Simone Keller, Klavier
Lukas Rickli, Klavier

Programmheft 11. und 12. März (PDF)
Zum Livestream am 11. März

*Hierbei handelt es sich um den Originaltitel des Komponisten. Julius Eastman legte den Begriff bewusst als rassistisch offen und machte damit insbesondere nicht-Schwarze Menschen auf strukturellen Rassismus und verbale Gewalt aufmerksam. Wir haben uns daher entschieden, den Originaltitel von Eastman im Kontext der Aufführung seiner Werke auszuschreiben.

Zusätzliches Konzert im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus am
14. März 2022, 20 Uhr

Julia Amanda Perry (1924–1979), Prelude (1962)
Julius Eastman (1940–1990), Prelude to the Holy Presence of Joan d'Arc (1981)
Julius Eastman, Piano 2 (1986)
Sofia Jernberg (*1983), Improvisation (2022)
Arnold Schönberg (1874–1951), Die Kreuze (1912)
Jessie Marino (*1984), Slender Threads (2020)
Julius Eastman, Buddha (1984)
Irene Higginbotham (1918–1988), Good morning Heartache (1945)

Sofia Jernberg, Gesang
Simone Keller, Klavier

Programmheft 14. März (PDF)

 

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Livestream des Konzerts am 8. Februar, 20 Uhr: Julius Eastman. Minimal Music – mit Musiker*innen der Münchner Philharmoniker

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Livestream des Konzerts am 5. März, 20 Uhr: Julius Eastman. Minimal Music – mit dem Münchener Kammerorchester

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Zugabe des Münchener Kammerorchester in Solidarität mit der Ukraine: Valentin Silvestrov, Stille Musik, Abendserenade

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Livestream des Konzerts am 11. März, 20 Uhr: Julius Eastman. Minimal Music – Musik für vier Klaviere mit dem Kukuruz Quartett

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Isaac Jean-­François, Doktorand am Institut für Afroamerikanistik und Amerika­nistik an der Yale University, über Eastmans Werke aus seiner bedeutendsten Schaffens­periode.

Von Isaac Jean­-François

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