Charlotte Salomon

Leben? oder Theater?

Charlotte Salomon

"Leben? oder Theater?" ist das Lebenswerk der Künstlerin Charlotte Salomon (1917 Berlin – 1943 Auschwitz), das innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Flucht 1939 aus Berlin nach Südfrankreich entstanden ist. Dieses von ihr so genannte "Singespiel" besteht aus 769 Blättern, die in drei Akte eingeteilt sind und Zeichnungen, Textzeilen sowie szenische Anmerkungen in Gouache umfassen. Das reichhaltige Konvolut, welches seit 1971 vom Jüdischen Museum in Amsterdam aufgearbeitet und verwaltet wird, ist nicht nur ein herausragendes künstlerisches Werk des 20. Jahrhunderts, sondern gibt gleichzeitig auf einzigartige Weise Aufschluss über Salomons wendungsreiches und selbstbestimmtes Leben. Es besticht durch die Vielfalt von Salomons Bildern sowie durch die reichen Bezüge zu Kunst, Film, Musik und Philosophie ihrer Zeit.
Die Erzählform von "Leben? oder Theater?" ist bis heute aktuell geblieben. Die Illustrationen und Texte fügen sich wie Szenenbilder einer Theaterinszenierung oder eines Drehbuchs zusammen und nehmen gleichzeitig den hybriden Charakter aus Text- und Bildebene von Graphic Novels vorweg. Die Figuren des Werks beruhen auf Salomons persönlichem Umfeld, sind von ihr jedoch subjektiv herausgearbeitet und somit zu fiktiven Charakteren abstrahiert. Auch die Erzählung selbst ist nicht als autobiographischer Tatsachenbericht zu verstehen, sondern bringt unterschiedliche Situationen und Lebensumstände in einen freien Sinnzusammenhang. So gibt Salomon in ihrem "Singespiel" vor allem den zwischenmenschlichen Begebenheiten ihres Lebens Bedeutung; die Bedrohungen der NS-Zeit bilden den Hintergrund, vor dem sich ihre Erzählung entfaltet.
"Leben? oder Theater?" zeugt durch innovative und kraftvolle Bildfindungen sowie feine ironische Nuancen von einer selbstbewussten künstlerischen Praxis. Auch außerhalb ihrer Kunst tritt Salomon – trotz familiärer Schicksalsschläge und antisemitischer Verfolgung – als souveräne Protagonistin ihres Handelns in Erscheinung. Ihr Lebenswerk bietet so einen einmaligen Einblick in das komplexe und gewaltsam verkürzte Leben einer jungen Künstlerin.

Sie möchten alle Seiten aus "Leben? oder Theater?"anschauen? Hier finden Sie das gesamte Werk aus 769 Gouachen und 320 Transparentseiten. Auf Seiten mit dem Hinweis "Musik" in schwarzer Schrift können Sie die begleitenden Lieder anhören. 

In Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Amsterdam
Kuratiert von Irene Faber, Sammlungskuratorin Jüdisches Museum Amsterdam; am Lenbachhaus betreut von Dierk Höhne und Stephanie Weber.
 

Begleitheft zur Ausstellung

Wandtexte (PDF)

Kooperationspartner / Medienpartner

Stimmen

"Bereits die ersten Eindrücke der Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel "Leben? oder Thea­ter?" zeigen die Vielschichtigkeit dieser Künstlerin. Auf den Hunderten farbintensiven Malereien sehen wir Erinnerungsfetzen einer Kindheit, Wimmelbilder von Zimmern und Straßen. Oftmals von weit oben aus betrachtet, als wäre eine unheimliche Präsenz, die alles verzeichnet, mit im Raum. Für den intensiv rot leuchtenden Blumenschmuck auf einem Festtisch benötigt die Künstlerin kaum mehr als ein paar gekonnte Tupfer. Im späteren Verlauf ihres Bildromans finden sich mehrere Szenen wie diese auf einer einzigen Seite."

Chris Schinke, taz

"Wie mit der Kamera folgt Charlotte Salomon den Personen auf ihren Bildern durch die Zeit, wechselt zwischen Totaler und Close-up, zwischen naivem Wimmelbild und ausdrucksstarkem Porträt. Sie bebildert ein ganzes Storyboard."

Tanja Beuthien, art. Das Kunstmagazin

"Salomon verwebt autobiografische und fiktive Elemente zu einer Neuerzählung ihres Lebens, die durch innovative und kraftvolle Bildfindungen sowie feinen ironischen Nuancen von einer selbstbewussten künstlerischen Praxis zeugt."

N. N., Weltkunst

"Sie sah zwei Möglichkeiten: entweder sich das Leben zu nehmen oder 'etwas ganz verrückt Besonderes zu tun'. Charlotte Salomon hat sich für Letzteres entschieden und ein Werk hinterlassen, das völlig aus dem Rahmen fällt."

Christa Sigg, Abendzeitung

"Auf den Gouachen kann man entdecken, wie experimentierfreudig Salomon war, wie sie ins Multiperspektivische ausbricht, verschiedene Darstellungsweisen erprobt, den Erzähltext schwungvoll einfügt. Als frühe Graphic Novel wirkt Charlotte Salomons Werk ungeheuer modern."

Tilman Urbach, BR24

"Not only is the work picturesque in the way it is painted and formally ground-breaking, Charlotte managed to achieve something deeply intimate and personal but also universal."

Kate Brown, artnet.com

"Man muss sich das mal vorstellen: Sie sitzt im Exil, abgeschnitten von der Heimat, der deutschen Kultur, von Freunden und Familie, und schafft ein Œuvre, das so voller Bezüge zu Film, Musik, Kunstgeschichte, zu Politik und Philosophie ist, dazu von solch künstlerischer Kraft, mit solch heftigem Herzschlag, als erlebte sie all das, was sie hier darstellt, unmittelbar."

Katja Kraft, Merkur

"Nun ist es an der Zeit, diese einzigartige Mischung aus Biografie und visionärer Zeichnung vollumfänglich zu würdigen."

Volker Sievert, kulturnews.de

"Was Salomon aus subjektiver Sicht in dem 'Biopic' aufrollt, nämlich den Kosmos einer jungen jüdischen Berlinerin, in den sich früh die menschliche und politische Katastrophe des Nationalsozialismus hineinfrisst, geriet ihr zu einer großen eigenständigen und eigenwilligen künstlerischen Leistung. [Ein g]randioses Mammutwerk [...] virtuos und originell."

Brita Sachs, FAZ

"Die Texte spielen eine enorme Rolle. Sie sind Poesie und Drama, sind sinnlich und verstörend, wahrhaftig und echt und fiktiv zugleich  ganz so, wie die Bilder, die sie begleiten. Einzelbilder, Wimmelbilder, kleine Reihen, ganze Serien. Drehbuchartig angeordnet, einem Comic oder einer Graphic Novel nicht unähnlich. So geht man lesend und schauend, schauend und staunend durch den abgedunkelten Kunstbau des Lenbachhauses in München. Wer zudem in die Musik hineinhört, die Salomon erwähnt und die an einzelnen Stationen über Kopfhörer eingespielt wird, trifft auf ein multisensorisches Kunsterlebnis."

Evelyn Vogel, SZ

"Hinterlassen hat [Salomon] ein beispielloses künstlerisches Werk von so bestechender Originalität, menschlicher Reife und formaler Komplexität, dass es zahlreiche Künstler anderer Sparten zu selbständigen Interpretationen auf Bühne, Leinwand und Papier inspiriert hat (…). Und wenn je ein modernes Gesamtkunstwerk sämtliche Gattungsgrenzen der Malerei zu Literatur und Musik, zu Theater, Tanz und Film in Bild und Schrift souverän überschritten hat – als Herausforderung für den Museumsbetrieb und für die akademische Kunstgeschichte, die sich dem noch kaum zu stellen wagte –, dann sind es jene rund achthundert mit Gouache bemalten und beschrifteten Blätter, die Charlotte Salomon im letzten Jahr ihres Lebens schuf."

Volker Breidecker, SZ

"Im Vorspiel erinnern die einzelnen Bilder mit ihren vielen Einzelszenen an mittelalterliche Bibelmalerei, es finden sich Michelangelo- und Rembrandt-Anleihen, der Expressionismus mit Munch und Beckmann ist vertreten bis hin zu immer weiter aufbrechenden Formen und Farben am Schluss. Letzteres hat einen besonders bedrückenden Grund: Im Exil gingen Charlotte Salomon Blätter und Farben aus. Die Szenen wurden skizzenhafter, unvollständiger und wirken wie gehetzt."

Dorte Lena Eilers, nd

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