Werktext
Das Motiv einer vor dem Schaufenster stehenden Frau hat Macke zum ersten Mal in seinem wichtigen Bild "Großes helles Schaufenster" von 1912 (Sprengel-Museum, Hannover) in seine Malerei eingeführt. Damals griff er unmittelbar auf das Vorbild der italienischen Futuristen und hier besonders auf Umberto Boccionis Gemälde "La strada entra nella casa" zurück, indem er die Rückenfigur einer Frau vor die farbige Scheibe eines Ladenfensters stellte, in deren Facetten sich das Geschehen auf der Straße spiegelte. Mit der Serie "Hutläden und Modegeschäfte", die 1913 und 1914 an der Promenade und in den Laubengängen von Hilterfingen entstand, gewinnen die Schaufensterbilder in seinem reifen Werk besonderes Gewicht.
Dazwischen liegt die Begegnung mit den "Fensterbildern" Robert Delaunays. Diese Bilder, in denen Delaunay immer wieder den Blick auf den in farbige Rauten zerlegten Eiffelturm durch eine reflektierende Fensterscheibe dargestellt hat und an ihren 'simultanen' Kontrasten die Eigenbewegung der Farben erprobte, drückten für Macke eine "geradezu himmlische Freude an der Sonne und am Leben" aus. Begeistert schrieb er an seinen Onkel Bernhard Koehler, den er zum Kauf von Delaunays "Fenêtres 2" bewegte: "Eben erhalte ich Antwort von Delaunay. Ich denke fast immer daran in letzter Zeit. Reflektierende Spiegelscheiben, durch die man an einem sonnigen Tag die Stadt und den Eiffelturm sieht, die tiefvioletten Reflexe, links das herrliche Orange, unten die blassblauen Häuser, aus denen sich immer wieder, überfangen von dem scharf abgegrenzten Glänzen der Scheibe, der grüne Turm steil bis in den azurblauen Himmel erhebt … Du musst besonders einmal sehen, wie bei weiterem Wegtreten die Farben eine wunderbare Tiefe annehmen. Das ist alles so herrlich ausgewogen, dass die ganze sonnige Natur sich drin spiegelt …"
Doch im "Hutladen" aus Hilterfingen ist das Motiv der vor einem Schaufenster stehenden Frau in sehr eigenwilliger Weise zu einem Stillstand von beinahe magischer Konzentration geronnen. Aufrecht verharrt die schlanke Rückenfigur der Frau in sonor königsblauer, ins Schwärzliche spielender Robe vor der Auslage eines Hutgeschäfts. Wie kostbare Fetische bieten sich ihr die ausgestellten Hüte auf ihren goldenen Stangen an. Sie strahlen ein geheimnisvolles Leben aus, das die Betrachterin in seinen Bann schlägt. Die Scheibe hingegen, das trennende und zugleich verbindende Element zwischen ihnen, ist kaum in Andeutungen vorhanden, damit fehlt auch die subtile Trennung der optischen Ebenen. Einzig die gelben und violetten Winkel erinnern an die reflektierenden Prismen Delaunays. Die Experimente des Franzosen halfen Macke in diesen Bildern eher, seine Visionen in die präzise Ordnung intensiver Farben umzugießen und sie so aus dem Fluss der Erscheinungen zu heben und festzubannen. "Als ob in diesem Stehenbleiben und gleich wieder Weitergehen sich ihm die Erfahrung der Vergänglichkeit … offenbart hätte", schreibt Ilse Erdmann über Mackes späte Bilder an den Dichter Rainer Maria Rilke.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Dazwischen liegt die Begegnung mit den "Fensterbildern" Robert Delaunays. Diese Bilder, in denen Delaunay immer wieder den Blick auf den in farbige Rauten zerlegten Eiffelturm durch eine reflektierende Fensterscheibe dargestellt hat und an ihren 'simultanen' Kontrasten die Eigenbewegung der Farben erprobte, drückten für Macke eine "geradezu himmlische Freude an der Sonne und am Leben" aus. Begeistert schrieb er an seinen Onkel Bernhard Koehler, den er zum Kauf von Delaunays "Fenêtres 2" bewegte: "Eben erhalte ich Antwort von Delaunay. Ich denke fast immer daran in letzter Zeit. Reflektierende Spiegelscheiben, durch die man an einem sonnigen Tag die Stadt und den Eiffelturm sieht, die tiefvioletten Reflexe, links das herrliche Orange, unten die blassblauen Häuser, aus denen sich immer wieder, überfangen von dem scharf abgegrenzten Glänzen der Scheibe, der grüne Turm steil bis in den azurblauen Himmel erhebt … Du musst besonders einmal sehen, wie bei weiterem Wegtreten die Farben eine wunderbare Tiefe annehmen. Das ist alles so herrlich ausgewogen, dass die ganze sonnige Natur sich drin spiegelt …"
Doch im "Hutladen" aus Hilterfingen ist das Motiv der vor einem Schaufenster stehenden Frau in sehr eigenwilliger Weise zu einem Stillstand von beinahe magischer Konzentration geronnen. Aufrecht verharrt die schlanke Rückenfigur der Frau in sonor königsblauer, ins Schwärzliche spielender Robe vor der Auslage eines Hutgeschäfts. Wie kostbare Fetische bieten sich ihr die ausgestellten Hüte auf ihren goldenen Stangen an. Sie strahlen ein geheimnisvolles Leben aus, das die Betrachterin in seinen Bann schlägt. Die Scheibe hingegen, das trennende und zugleich verbindende Element zwischen ihnen, ist kaum in Andeutungen vorhanden, damit fehlt auch die subtile Trennung der optischen Ebenen. Einzig die gelben und violetten Winkel erinnern an die reflektierenden Prismen Delaunays. Die Experimente des Franzosen halfen Macke in diesen Bildern eher, seine Visionen in die präzise Ordnung intensiver Farben umzugießen und sie so aus dem Fluss der Erscheinungen zu heben und festzubannen. "Als ob in diesem Stehenbleiben und gleich wieder Weitergehen sich ihm die Erfahrung der Vergänglichkeit … offenbart hätte", schreibt Ilse Erdmann über Mackes späte Bilder an den Dichter Rainer Maria Rilke.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.