Charlotte Salomon
Opening
Thu, 30. March 2023, 19–23 h
Life? or Theater?
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"Life? or Theater?" is the life's work of the artist Charlotte Salomon (1917 Berlin – 1943 Auschwitz) which was completed within two years after her flight in 1939 from Berlin to southern France. This "Singespiel," as she called it, consists of 769 gouache drawings, divided into three acts, and has been revised and administered by the Jewish Museum in Amsterdam since 1971. The rich convolute of drawings, text, and scenic annotations in gouache is an outstanding artistic work of the 20th century and full of references to the art, music, film, and philosophy of Salomon’s time. Simultaneously, it provides unique insight into Salomon's eventful and self-determined life.
The narrative form of "Life? or Theater?" has remained relevant to this day. The illustrations and text come together like scene sets in a theater production or screenplay, while at the same time anticipating the hybrid nature of the text and image layers of graphic novels. The characters in the work are based on Solomon's personal environment but are carefully developed by her and thus abstracted into fictional characters in a story that is larger than life. Salomon's narrative is therefore not to be read as an autobiographical factual report, but rather brings different situations and life circumstances into a context of meaning that is both personal and universal. Thus, in her "Singespiel," Salomon gives primary significance to the interpersonal events of her life while the looming National Socialist threat runs as a background noise through it.
"Life? or Theater?" testifies to a self-confident artistic practice through innovative and powerful pictorial inventions as well as subtle ironic nuances. Outside of her art as well, Salomon emerges as a sovereign protagonist – despite family misfortunes and anti-Semitic persecution. Her life's work thus offers a unique insight into the complex and violently truncated life of a young artist.
You would like to look at all the pages of "Life? or Theater?" Here you can view the entire work consisting of 769 gouaches and 320 transparent pages. Wherever the word "Music" appears in black letters to the right of the image you can listen to the respective tunes.
Organized in cooperation with the Jewish Museum Amsterdam.
Curated by Irene Faber, Curator, Collection Jewish Museum Amsterdam. Coordinated at Lenbachhaus by Dierk Höhne and Stephanie Weber
"Bereits die ersten Eindrücke der Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel "Leben? oder Theater?" zeigen die Vielschichtigkeit dieser Künstlerin. Auf den Hunderten farbintensiven Malereien sehen wir Erinnerungsfetzen einer Kindheit, Wimmelbilder von Zimmern und Straßen. Oftmals von weit oben aus betrachtet, als wäre eine unheimliche Präsenz, die alles verzeichnet, mit im Raum. Für den intensiv rot leuchtenden Blumenschmuck auf einem Festtisch benötigt die Künstlerin kaum mehr als ein paar gekonnte Tupfer. Im späteren Verlauf ihres Bildromans finden sich mehrere Szenen wie diese auf einer einzigen Seite."
"Wie mit der Kamera folgt Charlotte Salomon den Personen auf ihren Bildern durch die Zeit, wechselt zwischen Totaler und Close-up, zwischen naivem Wimmelbild und ausdrucksstarkem Porträt. Sie bebildert ein ganzes Storyboard."
"Salomon verwebt autobiografische und fiktive Elemente zu einer Neuerzählung ihres Lebens, die durch innovative und kraftvolle Bildfindungen sowie feinen ironischen Nuancen von einer selbstbewussten künstlerischen Praxis zeugt."
"Sie sah zwei Möglichkeiten: entweder sich das Leben zu nehmen oder 'etwas ganz verrückt Besonderes zu tun'. Charlotte Salomon hat sich für Letzteres entschieden und ein Werk hinterlassen, das völlig aus dem Rahmen fällt."
"Auf den Gouachen kann man entdecken, wie experimentierfreudig Salomon war, wie sie ins Multiperspektivische ausbricht, verschiedene Darstellungsweisen erprobt, den Erzähltext schwungvoll einfügt. Als frühe Graphic Novel wirkt Charlotte Salomons Werk ungeheuer modern."
"Not only is the work picturesque in the way it is painted and formally ground-breaking, Charlotte managed to achieve something deeply intimate and personal but also universal."
"Man muss sich das mal vorstellen: Sie sitzt im Exil, abgeschnitten von der Heimat, der deutschen Kultur, von Freunden und Familie, und schafft ein Œuvre, das so voller Bezüge zu Film, Musik, Kunstgeschichte, zu Politik und Philosophie ist, dazu von solch künstlerischer Kraft, mit solch heftigem Herzschlag, als erlebte sie all das, was sie hier darstellt, unmittelbar."
"Nun ist es an der Zeit, diese einzigartige Mischung aus Biografie und visionärer Zeichnung vollumfänglich zu würdigen."
"Was Salomon aus subjektiver Sicht in dem 'Biopic' aufrollt, nämlich den Kosmos einer jungen jüdischen Berlinerin, in den sich früh die menschliche und politische Katastrophe des Nationalsozialismus hineinfrisst, geriet ihr zu einer großen eigenständigen und eigenwilligen künstlerischen Leistung. [Ein g]randioses Mammutwerk [...] virtuos und originell."
"Die Texte spielen eine enorme Rolle. Sie sind Poesie und Drama, sind sinnlich und verstörend, wahrhaftig und echt und fiktiv zugleich – ganz so, wie die Bilder, die sie begleiten. Einzelbilder, Wimmelbilder, kleine Reihen, ganze Serien. Drehbuchartig angeordnet, einem Comic oder einer Graphic Novel nicht unähnlich. So geht man lesend und schauend, schauend und staunend durch den abgedunkelten Kunstbau des Lenbachhauses in München. Wer zudem in die Musik hineinhört, die Salomon erwähnt und die an einzelnen Stationen über Kopfhörer eingespielt wird, trifft auf ein multisensorisches Kunsterlebnis."
"Hinterlassen hat [Salomon] ein beispielloses künstlerisches Werk von so bestechender Originalität, menschlicher Reife und formaler Komplexität, dass es zahlreiche Künstler anderer Sparten zu selbständigen Interpretationen auf Bühne, Leinwand und Papier inspiriert hat (…). Und wenn je ein modernes Gesamtkunstwerk sämtliche Gattungsgrenzen der Malerei zu Literatur und Musik, zu Theater, Tanz und Film in Bild und Schrift souverän überschritten hat – als Herausforderung für den Museumsbetrieb und für die akademische Kunstgeschichte, die sich dem noch kaum zu stellen wagte –, dann sind es jene rund achthundert mit Gouache bemalten und beschrifteten Blätter, die Charlotte Salomon im letzten Jahr ihres Lebens schuf."
"Im Vorspiel erinnern die einzelnen Bilder mit ihren vielen Einzelszenen an mittelalterliche Bibelmalerei, es finden sich Michelangelo- und Rembrandt-Anleihen, der Expressionismus mit Munch und Beckmann ist vertreten bis hin zu immer weiter aufbrechenden Formen und Farben am Schluss. Letzteres hat einen besonders bedrückenden Grund: Im Exil gingen Charlotte Salomon Blätter und Farben aus. Die Szenen wurden skizzenhafter, unvollständiger und wirken wie gehetzt."