Infanterie by Helmuth Macke
Details
- Date
- um 1914/15
- Classification
-
Gemälde
- Medium
- Öl auf Leinwand auf Pappe
- Dimensions
- 36,1 cm x 41 cm
- On display
- In "The Blue Rider"
- Inventory number
- G 18941
- Acquisition
- Ankauf 2014
- Credit line
- Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
- Citation / Permalink
-
Helmuth Macke, Infanterie, um 1914/15, Öl auf Leinwand auf Pappe, 36,1 cm x 41 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
https://www.lenbachhaus.de/en/digital/collection-online/detail/infanterie-30030520 - Tags
Werktext
Helmuth Macke, dessen künstlerisches Werk sich zwischen Figuration und Abstraktion bewegt, gehörte zur Avantgarde der jungen Bewegung des Expressionismus. Obwohl er von seinen Künstlerfreunden hoch geschätzt wurde und vor dem Ersten Weltkrieg wie auch in den 1920er Jahren auf zahlreichen bedeutenden Ausstellungen vertreten war, fand sein Werk weder zu Lebzeiten noch nach seinem Tode angemessene öffentliche Anerkennung. Macke kam durch sein Studium bei dem niederländischen Künstler Jan Thorn-Prikker an der Kunstgewerbeschule in Krefeld von 1906 bis 1909 früh mit der Moderne in Berührung. Dort lernte er unter anderem Heinrich Campendonk und Walter Giskeskennen, mit denen er sich ab 1908 ein Atelier teilte. Nicht nur mit seinem Cousin August Macke, auch mit Franz Marc, Erich Heckel und anderen bedeutenden Weggenossen der Avantgarde war er eng befreundet. Franz Marc begegnete er 1910 während eines Aufenthalts bei August Macke am Tegernsee.
Es folgten wiederholte Aufenthalte in München, Tegernsee und Sindelsdorf. Über Marc knüpfte Macke auch Kontakt zu den Mitgliedern der Neuen Künstlervereinigung München (NVKM), stand in den Jahren 1910 bis 1911 in Verbindung zum Kreis des Blauen Reiter und lernte 1912 in Berlin über Erich Heckel auch die Mitglieder der Brücke kennen. Im Herbst 1914 musste der Künstler seinen Wehrdienst beim Kaiserlichen Regiment Nr. 158 (7. Lothringisches) in Paderborn antreten – ein Schock für Macke, der abrupt aus seinem künstlerischen Umfeld herausgerissen wurde. Über fünf Jahre sollte er insgesamt beim Militär überwiegend an der Westfront verbringen. Die Kriegsteilnahme bedeutete für ihn eine tiefe Zäsur; er hatte große Mühe, sein künstlerisches Schaffen wieder aufzunehmen. Hinzu kam der schmerzliche Verlust seiner ebenfalls eingezogenen Künstlerfreunde. Nach dem Tod des bereits nach sieben Wochen in Frankreich gefallenen Cousins August schrieb Helmuth Macke an Marc: "Daß auch ich von dem schrecklichen Schicksal, das August betroffen sehr mitgenommen, mehr wie von allen Strapazen, die ich zu erdulden hatte, kannst Du Dir wohl denken. Was er mir war, war mir keiner, mehr wie ein älterer Bruder. Nun Du, weißt es ja. […] Seitdem ich Soldat bin, habe ich nun eigentlich aufgehört ein Mensch zu sein […] Seit einer Woche habe ich wieder zum Bleistift gegriffen, der über ein Jahr geruht u. fange an wie rasend zu zeichnen. […] Heckel hat mir einen Skizzenblock geschickt, weil ich ihn darum gebeten, denn seit einiger Zeit drängten sich mir die Bilder doch in derartiger Fülle, daß ich nicht anders konnte. Einstweilen habe ich mich darauf beschränkt, oder werde vielmehr durch die Umstände gezwungen, meine Kameraden zu zeichnen.“
Während der Kriegsjahre schuf Macke zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen, die im Gegensatz zu den Arbeiten anderer Künstler nicht das grausame Kriegsgeschehen thematisieren, sondern sich aus sachlich distanzierter Perspektive den Neben- und Alltagsschauplätzen widmeten. Es entstand eine kleine Werkgruppe mit Soldaten, zu der auch "Infanterie“ zählt. Anders als die meisten seiner Gemälde dieser Zeit ist das vorliegende Bild nicht auf Papier, sondern auf Leinwand ausgeführt.
Nach einer schweren Kopfverwundung 1915 wurde er in der zweiten Hälfte des Krieges durch Vermittlung von Elisabeth Macke aus dem Schützengraben abgezogen und offiziell als Kriegsmaler von Verdun eingesetzt. Die zu dieser Zeit entstandenen Werke stellen zwar das dar, was Macke miterlebte, doch seine Empfindungen sind in diesen Bildern nicht zu erahnen. Die Arbeiten zeigen keine neuen stilistischen Varianten, sondern wurden von Macke selbst als "naturalistische Studien“ bezeichnet.
Nach dem Krieg hielt er sich mehrere Jahre in Krefeld und Bonn auf und stand dort im engen Kontakt zu Heinrich Campendonk und Wilhelm Wieger. Während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Ascona 1930 traf er auf Christian Rohlfs und Marianne von Werefkin, mit denen er sich intensiv austauschte. Macke, der dem Krieg stets kritisch und ablehnend gegenübergestanden hatte, versuchte 1933 mit seinem Umzug nach Hemmenhofen am Bodensee der zunehmend nazifreundlichen Szene in Krefeld zu entfliehen. Unter ungeklärten Umständen ertrank er dort am 8. September 1936 bei einem Segelausflug. Viele seiner Werke wurden im Zuge der Beschlagnahmeaktion "Entartete Kunst“ im Nationalsozialismus aus deutschen Museen entfernt. Ein großer Teil seines Lebenswerks, darunter vor allem die frühen Arbeiten, wurden 1943 bei einem Bombenangriff auf Krefeld vernichtet.
Daher ist das Gemälde "Infanterie“ in zweierlei Hinsicht eine bedeutende Erweiterung für die Sammlung des Lenbachhauses, ist doch das überlieferte Werk von Helmuth Macke in der Zeit um 1914 äußerst schmal. Zudem stellt die Person Helmuth Mackes mit seinen Werken eine wichtige Verbindung zwischen der Brücke und dem Blauen Reiter dar.
Werktext aus der Broschüre zur Ausstellung "Mehr Moderne für das Lenbachhaus. Die Neuerwerbungen in der Sammlung Blauer Reiter", 2020/2021