Im Park von St. Cloud – Herbst II by Wassily Kandinsky

Details

Date
1906
Classification
Gemälde
Medium
Öl auf Karton
Dimensions
23,7 cm x 37,9 cm x 0,2 cm
Signature and inscriptions
unbezeichnet
On display
In "The Blue Rider"
Inventory number
GMS 23
Acquisition
Schenkung 1957
Credit line
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Citation / Permalink
Wassily Kandinsky, Im Park von St. Cloud – Herbst II, 1906, Öl auf Karton, 23,7 cm x 37,9 cm x 0,2 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/en/digital/collection-online/detail/im-park-von-st-cloud-herbst-ii-30003127
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Werktext

"Im Park von Saint Cloud", während des einjährigen Aufenthaltes von Kandinsky und Gabriele Münter 1906 in Paris entstanden, weist im Wesentlichen den gleichen Stil und die Spachteltechnik seiner "kleinen Ölstudien" seit 1901 auf, doch ist hier der Einsatz der Mittel um einiges weitergetrieben. In den Landschaftsbildern vom Ende dieser Periode bis 1907, die man als Kandinskys Frühwerk bezeichnet, tendieren die auffällig modellierten, äußerst pastosen Spachtelzüge und -flecken dazu, sich zu verselbstständigen und den Bildgegenstand durch Farbe beinahe zu verdecken. In diesem Bild ist die herbstlich bunte Allee nur noch an der Grundstruktur der Bäume und des Bodens zu erkennen, farbige Tupfer im Vordergrund aus Orange, Altrosa und Gelbgrün sowie längere blaue Streifen lassen sich mit Naturformen wie Laub und Schatten assoziieren, während sich links im Bild Gelb, Zinnoberrot und Dunkelbraun zu glühender, 'abstrakter' Farbanhäufung verdichten.

Bei diesem frappierenden kleinen Bild, dessen Besonderheit etwa auch im Vergleich zu Gabriele Münters "Allee im Park von Saint Cloud" deutlich wird, sei noch einmal an Kandinskys Stellung zu seinem künstlerischen Umfeld und dessen Voraussetzungen erinnert. Oft hat man den Neoimpressionismus Seurats und die Technik des Pointillismus als Vorbild benannt. Kandinsky selbst hat in einer grundsätzlichen Äußerung die Art seines Interesses am Neoimpressionismus ausgesprochen: "Das 'Licht- und Luftproblem' der Impressionisten interessierte mich sehr wenig … Wichtiger erschien mir die Theorie der Neoimpressionisten, die im letzten Grunde von der Farbenwirkung sprach und die Luft in Ruhe ließ."

In der Weiterführung des Impressionismus, dem es bei der optischen Teilung der Farbe vorrangig um die Wiedergabe des natürlichen Lichts und den atmosphärischen Augeneindruck ging, hatten seine Erben – in erster Linie Van Gogh und die Neoimpressionisten – in ihrer Malerei das Licht durch die Farbe absorbiert und ihr eine unabhängige, auf eigenen Regeln begründete Rolle im Kontext des Bildes zugewiesen. Auf die dort erreichte Spaltung und isolierte Nutzung der Farben kann sich Kandinsky nun stützen und er erkennt zweifellos diese besondere Errungenschaft seiner jüngsten Vorgänger an, wenn er feststellt, dass der Neoimpressionismus bei aller Dogmatisierung seiner Farbtheorie und seinem letztlich beibehaltenen Naturalismus der Darstellung "zur selben Zeit ins Abstrakte greift". Kandinskys letzte in der Spachteltechnik gemalten Ölstudien wie "Park von Saint Cloud" zeigen, dass es ihm weniger auf den Gegenstand der Naturstudie ankommt als auf seine Charakterisierung durch das Material der Farben und ihre wachsende künstlerische Eigenmächtigkeit.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.