Werktext
Das "Aufbruch" – in den niederländischen Nachlass-Listen "Opzet" – genannte Bild, dessen Titel sich auch als Transition oder Neubeginn übersetzen ließe, scheint einen Übergang in eine neue Dimension darzustellen, inmitten eines "Zusammenpralls verschiedener Welten" (Kandinsky), mit einem Chaos dunkler Mächte im Vordergrund und der geheimnisvollen Lichtpforte im Mittelgrund. Dorf öffnet sich eine Art Feuerhöhle, in die eine kleine menschliche Figur zu schreiten scheint, vage lässt sich schräg über ihr der weiße Schemen eines Tiers erkennen, während am vorderen rechten Bildrand offenbar dunklere Figuren in Metamorphose begriffen sind. Die Gesamtkomposition wirkt wie eine aus abstrakten Naturgesetzen geformte Weltlandschaft, die sich aus einer Gewitterzone nach rechts oben ins Leere und Helle öffnet.
Auch wenn dieses Bild, das mit einiger Sicherheit erst nach Kortewegs Rückkehr von München nach Amsterdam 1914 entstanden ist, als unvollendet zu bezeichnen ist, kann es dennoch als ein Hauptwerk aus der Gruppe seiner letzten Gemälde gelten, die nun ganz von theosophischem Gedankengut bestimmt sind. Zu der jetzt charakteristischen "offenen" Arbeitsweise hat sich Korteweg in seinem einzigen erhaltenen, in deutscher Sprache verfassten Brief an Kandinsky vom 19. Mai 1914 geäußert: "Ich male viel und fühle mich darin viel freiher, auch kann und mag ich die Sachen weiter treiben (beenden). Die Sachen sollen immer weniger Gegenständlich werden, 'verzeichnete' Figuren kann doch nur ein Übergang sein. Bei der Komposition gehe ich meistens aus von einer helleren Partie, was mich beim Anfangen sehr stützt, wenn ich auch während der Arbeit vielleicht wieder davon abweiche."
Während für Kandinskys Kunsttheorie, wie in seinem Aufsatz "Malerei als reine Kunst" von 1913, auf die Perioden von Realismus und Naturalismus "heute" die beginnende dritte Periode der "kompositionellen Malerei" folgt, steht dieses Modell in Kortewegs Schrift "Farbe – Licht – Feuer" von 1914/15 ganz im Zeichen der Theosophie: Für ihn ist das dritte und letzte Stadium das des "Feuers": "Es ist ein herrlicher Kampf, den der Dewa streitet und Er wird nicht ruhen, ehe das Weltall symbolisch in Seinem stofflichen Fahrzeug (Farbe), im Feueraspekt, ausgedrückt ist."
Während die Beschäftigung mit theosophischem Gedankengut für Künstler der niederländischen Avantgarde, etwa für Erich Wichmann, Piet Mondrian oder Theo van Doesburg nicht ungewähnlich, sondern sogar die Regel ist, verblüfft auch hier die lebensgeschichtliche Konsequenz, mit der Korteweg sie in seine Kunst und schließlich ganz in sein Leben umsetzte. 1915 gab er die Malerei vollständig auf, die Theosophie bestimmte seine letzten Lebensjahre bis zu seinem frühen Tod in Indien. Mit seinen Versuchen zur Gestaltung des 'Geistigen in der Kunst' durch immaterielle Feuer- und Reinigungsversionen und seine semiabstrakte, gestische Malerei aber hat Korteweg weit auf die Gruppe der COBRA oder die Jungen Wilden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorausgewiesen.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.
Auch wenn dieses Bild, das mit einiger Sicherheit erst nach Kortewegs Rückkehr von München nach Amsterdam 1914 entstanden ist, als unvollendet zu bezeichnen ist, kann es dennoch als ein Hauptwerk aus der Gruppe seiner letzten Gemälde gelten, die nun ganz von theosophischem Gedankengut bestimmt sind. Zu der jetzt charakteristischen "offenen" Arbeitsweise hat sich Korteweg in seinem einzigen erhaltenen, in deutscher Sprache verfassten Brief an Kandinsky vom 19. Mai 1914 geäußert: "Ich male viel und fühle mich darin viel freiher, auch kann und mag ich die Sachen weiter treiben (beenden). Die Sachen sollen immer weniger Gegenständlich werden, 'verzeichnete' Figuren kann doch nur ein Übergang sein. Bei der Komposition gehe ich meistens aus von einer helleren Partie, was mich beim Anfangen sehr stützt, wenn ich auch während der Arbeit vielleicht wieder davon abweiche."
Während für Kandinskys Kunsttheorie, wie in seinem Aufsatz "Malerei als reine Kunst" von 1913, auf die Perioden von Realismus und Naturalismus "heute" die beginnende dritte Periode der "kompositionellen Malerei" folgt, steht dieses Modell in Kortewegs Schrift "Farbe – Licht – Feuer" von 1914/15 ganz im Zeichen der Theosophie: Für ihn ist das dritte und letzte Stadium das des "Feuers": "Es ist ein herrlicher Kampf, den der Dewa streitet und Er wird nicht ruhen, ehe das Weltall symbolisch in Seinem stofflichen Fahrzeug (Farbe), im Feueraspekt, ausgedrückt ist."
Während die Beschäftigung mit theosophischem Gedankengut für Künstler der niederländischen Avantgarde, etwa für Erich Wichmann, Piet Mondrian oder Theo van Doesburg nicht ungewähnlich, sondern sogar die Regel ist, verblüfft auch hier die lebensgeschichtliche Konsequenz, mit der Korteweg sie in seine Kunst und schließlich ganz in sein Leben umsetzte. 1915 gab er die Malerei vollständig auf, die Theosophie bestimmte seine letzten Lebensjahre bis zu seinem frühen Tod in Indien. Mit seinen Versuchen zur Gestaltung des 'Geistigen in der Kunst' durch immaterielle Feuer- und Reinigungsversionen und seine semiabstrakte, gestische Malerei aber hat Korteweg weit auf die Gruppe der COBRA oder die Jungen Wilden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorausgewiesen.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.