Allerheiligen II by Wassily Kandinsky

Details

Date
1911
Classification
Gemälde
Medium
Öl auf Leinwand
Dimensions
86 cm x 99 cm
On display
In "The Blue Rider"
Inventory number
GMS 62
Acquisition
Schenkung 1957
Credit line
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Citation / Permalink
Wassily Kandinsky, Allerheiligen II, 1911, Öl auf Leinwand, 86 cm x 99 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/en/digital/collection-online/detail/allerheiligen-ii-30018461
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Werktext

Das Jahr 1911 bedeutet einen Höhepunkt für Wassily Kandinskys intensive Beschäftigung mit dem Thema der christlichen Eschatologie. Es entsteht eine Fülle von Gemälden, Hinterglasbildern, Aquarellen und Holzschnitten, in denen die religiösen Figuren mit teilweise bereits antizipierten Symbolen aus der Vorstellungswelt Kandinskys zu einer in der modernen Kunst einzigartigen Ikonografie verschmelzen. So tauchen etwa die russische Stadt mit den bunten Kuppeltürmen auf dem Hügel oder der Reiter in unterschiedlichen Kombinationen erneut auf. "Allerheiligen II", eng verwandt mit "Allerheiligen I", entwickelt den neuen Bilderschatz in deutlich erkennbarer Form weiter. Die aufgereihten Figuren mit ihren schwarzen Umrissen erinnern an die schlichte Darstellungsweise der volkstümlichen Hinterglasmalerei, wandeln sie jedoch in freier Expressivität um.

In der Mitte stehen drei Heilige mit ausladenden Gesten, die eventuell als Basileus, Gregor und Johannes Chrysostomos zu deuten sind. Die weibliche Halbfigur vor ihnen ist als hl. Walburga, die Schutzpatronin Bayerns, gedeutet worden. Über einer Gruppe von Gläubigen mit Kerzen und einem Segelboot mit Walfisch – Symbol der Christenheit und ebenso der Jonaslegende – erscheint mit hoch gereckten Armen der hl. Wladimir, der Schutzheilige Russlands. Über ihm fährt Elias mit dem Feuerwagen, gezogen von drei weißgoldenen Rössern, gen Himmel: ein spannungsvolles Emblem, das als 'Troika-Motiv', oft nur noch von den drei gebogenen Linien der Rösser angedeutet, in vielen abstrakten Kompositionen Kandinskys fortlebt. Am rechten Bildrand, neben einem Auferstehenden mit abgetrenntem Haupt, steht offenbar der Evangelist Johannes, Chronist der Apokalypse, und blickt mit nach oben gewandtem Gesicht zu einem der Posaunenengel empor, der mit richtend erhobener Hand über dem Geschehen schwebt.

Im Zentrum des Bildes befindet sich wieder die Kremlstadt mit schwankenden Türmen auf hohem runden Hügel, daneben der Reiter. Genau dieses Motiv, das auch in den verwandten Hinterglasbildern und Holzschnitten zu finden ist, hat Kandinsky als Vignette auf das Titelblatt seiner Programmschrift "Über das Geistige in der Kunst" gesetzt. Damit erweist sich der "stehende und stürzende Turm mit Reiter" als ein komprimiertes Symbol für die erwartete Apokalypse und die folgende Erneuerung in einem Zeitalter des Geistigen, als dessen Künder und Mittler Kandinsky sich verstand.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

Audio

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