Stephan Dillemuth

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Stephan Dillemuth

Stephan Dillemuth (*1954) schlüpft in unterschiedliche Rollen: er ist der Maler, der rauchend der Inspiration harrt; der Fernsehmoderator, der ein Video von Stephan Dillemuth ankündigt; er ist Friedrich Nietzsche, der gegen Richard Wagner ätzt und – in seiner beständigsten Rolle – der Professor für Kunstpädagogik an der Münchener Akademie der Bildenden Künste.

Die Rollen, die Künstler und Künstlerinnen in der Gesellschaft und im Kunstsystem übernehmen, sind Dreh- und Angelpunkt für den in München und Bad Wiessee lebenden Künstler. Unter Verwendung einer ergebnisoffenen und häufig kollektiven Forschungsmethode, die er als „bohemistisch“ bezeichnet, nimmt er verschiedene Formen künstlerischer Lebensweisen wie die Lebensreformbewegung, die Münchner Boheme der vorletzten Jahrhundertwende oder die Kunstakademie unter die Lupe, auch um sie auf Sinn und Zweck für die heutige Situation abzuklopfen.

Als Kunststudent an der Akademie in Düsseldorf wählte Dillemuth als Vorlage seiner Malereien regional spezifischen Kitsch wie Postkartenmotive von Paaren und Kindern in Tracht. Auch die Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg – bestehend aus über dreißig Porträts „schöner“ Frauen, die Joseph Karl Stieler im Auftrag König Ludwigs I. schuf – machte der junge Dillemuth sich zu eigen: Vorstellungen darüber, was schön oder hässlich sei, wurden damals unter den Vorzeichen des Punk auf den Kopf gestellt. Mit diesen Kategorien jonglierend malte Dillemuth 1985 für seine Schönheitsgalerie sämtliche Nymphenburger Porträts neu und spürte so dem ästhetischen Umbruch nach. Zugleich unterlief er mit seiner Motivwahl das Pathos männlicher Identität, mit dem gerade die deutsche neoexpressionistische Malerei quasi gleichbedeutend geworden war.

Bayern, als biografische wie historische Reibungsfläche, tritt bei Dillemuth wiederholt in Erscheinung. Lion Feuchtwangers Roman "Erfolg" von 1930 inspirierte Dillemuths gleichnamige Installation aus dem Jahr 2007. Feuchtwanger skizzierte in seinem Buch am Beispiel Münchens jenes Räderwerk aus scheinbar nebensächlichen politischen Entscheidungen und persönlichen Befindlichkeiten, das den Nationalsozialisten den Weg bereitete. Das Zahnrad als unverändert aktuelle Metapher für ein System, dessen Teile auf dem Weg in die falsche Richtung perfekt ineinander greifen, findet mit "Erfolg" Eingang in Dillemuths Formenrepertoire. Kreaturen aus Zahnrädern und Körperabgüssen bevölkern auch seine aktuellen Installationen, deren glänzende Oberflächen, in Anlehnung an die Prachtkabinette des Barock und Rokoko, Werke und Betrachter in ein narzisstisches Spiel unendlicher Spiegelung verwickeln. Für Dillemuth sind diese Räume auch im übertragenen Sinne Spiegelungen eines gesellschaftlichen Istzustandes, den er als „Corporate Rokoko“ bezeichnet – als ebenso unhaltbares wie allumfassendes Moment eines kapitalistischen Exzesses. Wie Kunstwerk und Kunstschaffende sich auf der rutschigen Bühne des Corporate Rokoko verhalten können, ist die konstruktiv offene Frage, die in Dillemuths Arbeit bald humorvoll, bald bissig darauf drängt, immer wieder neu verhandelt zu werden.

Videos von Stephan Dillemuth können hier runtergeladen werden.

Kuratiert von Stephanie Weber

Stimmen

"Die Frage, ob eine so ungerührt wie anspielungsreiche Kunst überhaupt verstanden wird, erledigt Dillemuth schon im Eingang. Er hat an der Münchner Akademie auch Kunstvermittlung gelehrt und weiß, dass das Gelingen von Kommunikation die Ausnahme von der Regel ist. Das Bild dafür ist ein Scheinwerfer, der eifrig blinkend den binären Code in Lichtzeichen übersetzt, der im Jahr 1974 vom Arecibo Teleskop in Puerto Rico aus ins All gesendet wurde mit Informationen über die Menschheit, über DNA, Zahlen, den Planeten Erde.
Kam sie an? Angeblich hatten die Forscher bei ihren Berechnungen übersehen, dass die Milchstraße rotiert. Dillemuth hat unter dem Licht frisch gekochte Spaghetti in einem Kreis arrangiert. Das Weltverständnis, es ist ein ziemliches Knäuel. Aber schön.“

Catrin Lorch, Süddeutsche Zeitung

"Und in seiner eigenen Hassliebe zur Zufallsheimat hat Dillemuth (alias Werner von Delmont) auch den Begriff des ,Corporate Rokoko' gefunden: Quasi der Zustand fortgeschrittenen Wohlstands-Wahnsinns, der zwischen Laptop und Lederhose wabert.“

Roberta de Righi, Abendzeitung