Pop Art in der
Restaurierung

Ulrike Ottingers "Dieu de Guerre"

Von Lisa Frenzel.

Mit der Künstlerin Ulrike Ottinger verbinden die meisten wahrscheinlich vor allem ihre Film- und Fotoarbeiten, weniger bekannt ist dagegen ihr druckgrafisches und malerisches Œuvre. In den 1960er Jahren schuf die Künstlerin in Paris Werke, die formal der Pop Art nahestehen. Leuchtende Farben und klare, flache Formen kennzeichnen diese Arbeiten. In der Ausstellung I’m a Believer. Pop Art und Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus und der KiCo Stiftung – der erste Teil des Titels stammt ebenfalls von einem Werk Ottingers – werden erstmals im Lenbachhaus Arbeiten der Künstlerin aus dieser Schaffensperiode gezeigt.

Das Triptychon Dieu de Guerre von 1967/68 gehört zu einer der größten Arbeiten Ottingers. In einer Art Pop-Adaption eines kirchlichen Bilderaltars entwirft Ottinger ein von Flipperautomaten inspiriertes Weltbild, das die Trivialisierung des Vietnamkrieges und die Studentenunruhen in Frankreich Ende der 1960er Jahre verhandelt (Abb. 1). In zugeklapptem Zustand begegnet dem Betrachter der titelgebende Kriegsgott, dessen Kopfschmuck aus Raketen besteht und der bedrohlich mit seinen vier Armen weitere Raketen schwenkt (Abb. 2).

Die Bildmotive brachte Ottinger in mehreren dünnen Schichten mit Acrylfarbe auf. Trotz des mehrschichtigen Auftrags ist die Farbe an manchen Stellen so durchscheinend, das man die Bleistiftvorzeichnung darunter noch erkennen kann. In der Innenseite des Triptychons setzte die Künstlerin unterschiedlichere Farbtöne ein, als bei den schlichter gestalteten Außenseiten der Flügel. Auffällig sind zwei aufgesetzte Rotunden auf der Mitteltafel sowie zwei entsprechende runde Aussparungen in den beiden Seitenflügeln. Ist das Triptychon geöffnet kann man durch die Öffnungen hindurch sehen – beim rechten Flügel ersetzt der eigene Kopf den des Indianerhäuptlings der darauf abgebildet ist. Interessant ist, dass Ottinger in ihren Filmen nur ein einziges Mal ihre an die Pop Art angelehnten Bilder verwendete: In Superbia ist ein Blick durch eine der Flügelöffnungen zu sehen.

Als Bildträger für das in offenem Zustand 180 x 240 cm große Triptychon verwendete Ulrike Ottinger 2 cm starke Pressspanplatten, die aus statischen Gründen an der Standfläche mit einer Holzleiste versehen wurden. Die Seitentafeln sind durch Metallscharniere an der mittleren Bildtafel befestigt. Einen schmalen Spalt zum linken Seitenflügel füllte die Künstlerin bereits selbst mit zugeschnittenen Kartonscheiben auf.

Das Triptychon wies einige deutlich sichtbare Beschädigungen auf, die im Laufe der Zeit entstanden sind: lose aufliegende Verschmutzungen, auffällige schwarze Aufriebspuren bis hin zu unterschiedlich großen Ausbrüchen im Bildträger und daraus resultierende Farbverluste. Um der ursprünglichen Erscheinungsform des Kunstwerkes nahe zukommen und weitere Schäden zu vermeiden, wurden neben einer Konservierung der originalen Substanz auch restauratorische Maßnahmen vorgenommen.

Bei der Betrachtung des Werkes irritierte vor allem der schwarze streifenfömige Aufrieb auf den monochromen Farbflächen, der deshalb mechanisch entfernt wurde (Abb. 3). Es dauerte gute drei Stunden, sie mit einem nebelfeuchten Watteroller vom Malgrund zu lösen, ohne den Untergrund zu beschädigen. Da die roten Farbbereiche stark auf wässrige Lösemittel reagierten, wurde der Abrieb hier mit einem Skalpell entfernt. Unter der Lupe lässt sich das Skalpell präzise führen, um so Beschädigungen in der Farbschicht zu vermeiden (Abb. 4). Diese kleinteiligen Arbeiten erfordern ruhige Hände und ein hohes Maß an Konzentration, weshalb es im Restaurierungsatelier meist ganz still ist, obwohl dort bis zu fünf Personen gleichzeitig arbeiten.

Die größte Beschädigung befand sich an der runden Aussparung im linken Flügel: ein großer Ausbruch störte nicht nur das optische Erscheinungsbild, sondern wirkte auch als Angriffspunkt im Gefüge, durch den weiteres Originalmaterial ausbrechen könnte. Um die Vertiefung unterhalb des Oberflächenniveaus aufzufüllen, verwendeten wir ein zuvor zugeschnittenes Stück Balsaholz. Anschließend erfolgte die Kittung mit einer Masse aus gesiebtem Balsaholzmehl, Tylose – einem Klebe- und Verdickungsmittel – und Störleim. (Abb. 5-8)

Außerdem war die Malschicht an manchen Stellen gelockert: Die Künstlerin hatte den Flügel im Entstehungsprozess wohl zu früh geschlossen, wodurch sich die noch nicht vollständig getrocknete Farbe in einzelne Schichten auftrennte und dann in dieser Form aushärtete (Abb. 9). Diese verklebten Malschichten stellten für uns eine besondere Herausforderung dar: Die porösen Schichten, waren so fest miteinander verklebt, dass sie nur schwer mit Hilfe eines Skalpells voneinander getrennt werden konnten. Glücklicherweise ist es an den meisten Stellen gelungen, die Farbschichten mit Störleim wieder zu befestigen (Abb. 10). An Partien, wo es nicht gelang die Farbe zu erhalten, mussten die Ausbrüche in der Pressspanplatte in einem nächsten Schritt mit Störleim und Holzkitt ausgebessert werden (Abb. 11). Abschließend wurden die grundierungssichtigen Fehlstellen sowie die gekitteten Partien farblich an den umgebenden Bereich eingetönt (Abb. 12). Je nach Oberflächenglanz wurden bei der Retusche entweder Gouachefarben, für matte Farbbereiche, oder Aquarellfarben, für glänzende Bereiche, verwendet.

Das fertig konservierte Triptychon Dieu de Guerre hat nun durch die Restaurierung seine ursprüngliche Ästhetik zurückerhalten und ist aktuell in unserer Ausstellung I’m a Believer. Pop Art und Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus und der KiCo Stiftung gemeinsam mit Werken von Walker Evans, Isa Genzken, Maria Lassnig, Michaela Melián, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Andy Warhol und vielen weiteren zu sehen. Schauen Sie selbst mal durch die Öffnung im Flügel und werden Sie Teil des Kunstwerks!

Lisa Frenzel ist Volontärin im Restaurierungsatelier des Lenbachhauses.

Veröffentlicht am 29. März 2018