Improvisation 21 a von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1911
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
96 cm x 105 cm
Signatur / Beschriftung
u. l.: KANDINSKY 1911.
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
GMS 82
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Improvisation 21 a, 1911, Öl auf Leinwand, 96 cm x 105 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/improvisation-21-a-30011873
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Werktext

Die "Improvisation 21 a" von 1911 wurde von dem kleinen Hinterglasbild "Mit Sonne" angeregt. Mit ihr eng verwandt ist das Bild "Kleine Freuden" (Solomon R. Guggenheim Museum, New York), das Kandinsky etwa anderthalb Jahre später, im Sommer 1913, malte. Im Hinblick auf "Kleine Freuden" und "Improvisation 21 a" schreibt Kandinsky, die delikaten Farben des Hinterglasbildes, sein Gold, Silber und seine spiegelnden Stellen, hätten ihn zu diesen größeren Kompositionen angeregt. Das Hinterglasbild gibt die einzelnen Elemente wesentlich deutlicher zu erkennen: in der Mitte zwei Hügel, bekrönt von russischen Kuppeltürmen, links ein im scharfen Winkel zurückgelehntes Paar, darüber drei die Hügel hinaufsprengende Reiter, ganz oben die Sonne. Rechts befinden sich zwei große gebogene Formen, ein Boot mit drei Ruderern, darüber eine dunkle Wolke. In "Improvisation 21 a" sind alle figürlichen Angaben bis zu einem gewissen Grad verwischt, die bunten leuchtenden Farben des Hinterglasbildes sind unterdrückt und von weißlichem Grau überzogen.

Dennoch bleibt auch hier die Gesamtaussage des Bildes vollständig erhalten, gewinnt vielmehr durch die erweiterten Assoziationsmöglichkeiten an Intensität.Viele Interpreten Kandinskys, besonders Rose-Carol Washton-Long, betonen den dramatischen Gegensatz der beiden Bildhälften, die Konfrontation von Sonne und dunkel drohender Wolke über dem in der aufgewühlten See kämpfenden Boot. Durch diesen Konflikt und den Vergleich mit dem bekannten Figurenvokabular Kandinskys jener Zeit, das auch in Bildern wie "Allerheiligen", "Jüngstes Gericht" und schließlich "Sintflut" auftaucht, rücken Washton-Long und Sixten Ringbom auch dieses Bild in die Nähe apokalyptischer Visionen, als System von Hoffnung und Zerstörung, Vernichtung und Erneuerung.

Kandinsky selbst beschreibt den Schaffensprozess der "Kleinen Freuden" ganz anders, viel mehr von den formalen Eigenarten ausgehend, die das Bild trotz heterogener Elemente in einem "großen Gleichgewicht" hielten. Er bezeichnet den Hintergrund des Bildes als "geistig", als "idealen Spielplatz" für kleine Freuden. Denn: "Mein Ziel war ja – sich gehen zu lassen und eine Menge kleiner Freuden auf die Leinwand zu schütten." Die dunkle Wolke füge einen ernsteren Ton hinzu, aber in Form eines "feinen inneren Kochens" und von "Überfließungen" subtiler Art. Doch dieser melancholische Begleitton bleibt im Hintergrund, als leichte Vibration des Bildes, oder, wie Kandinsky es ausdrückt: "Aber überall bleibt das alles im Bereich der kleinen Freuden und bekam keinen schmerzlichen Beiklang." Auch an dieser Äußerung überrascht die komplexe Denkweise Kandinskys, der Bildelemente neu und widersprüchlich handhabt und damit der traditionellen ikonografischen Analyse entzieht.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.