Dame in Moskau von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1912
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
108,8 cm x 108,8 cm
Signatur / Beschriftung
rückseitig: Kandinsky, Dame in Moskau
Ausgestellt
Nein
Inventarnummer
GMS 73
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Dame in Moskau, 1912, Öl auf Leinwand, 108,8 cm x 108,8 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/dame-in-moskau-30012217
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Werktext

Das weite, zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu erschlossene Reich der Tiefenpsychologie und angrenzender Wissenschaften eröffnete auch Kandinsky Erkenntnis- und Gestaltungsmöglichkeiten, die seinem Streben nach dem Ausdruck des Immateriellen entgegenkamen. In die Geheimsprache seiner abstrahierenden Bildformen nahm er Elemente aus diesen Bereichen auf. Belegt ist, dass Kandinsky theosophische Schriften wie die 1908 von Annie Besant und Charles W. Leadbeater veröffentlichten "Gedankenformen" und die darin abgebildeten Fotos bestimmter übersinnlicher Phänomene und "Auren" von Gedanken- und Gefühlszuständen kannte. In Berlin hatte er 1908 eine Vortragsreihe von Rudolf Steiner gehört und sich mit dessen im selben Jahr in zweiter Auflage erschienener "Theosophie" auseinandergesetzt, in München kam er offenbar auch mit den parapsychologischen Sitzungen des Nervenarztes und Psychiaters Albert von Schrenck-Notzing in Berührung, von dessen experimentellen Sitzungen ebenfalls aufsehenerregende Fotos erschienen waren.

"Es gibt in Kandinskys Œuvre ein Bild, in dem die Auseinandersetzung mit dem Übersinnlichen so offenkundig wird wie in keinem anderen – wir sprechen von der 'Dame in Moskau', die der Künstler in drei verschiedenen Techniken ausführte: als Aquarell, in Öl und als Hinterglasbild." Auf den ersten Blick fällt in diesem Gemälde der Gegensatz von der nahezu naiv-figürlichen Darstellung der Frauengestalt im Vordergrund vor einem bunten Moskauer Straßenprospekt und den abstrakten Phänomenen auf, die sie, losgelöst von der quasi-realistischen Szene, als irrationale Elemente schwebend im Raum umgeben: eine graue Aura, ein roter Kreis und ein großer schwarzer Fleck.

"Auf einer Moskauer Straße steht unter einer gelben Sonne eine Frau, die den Betrachter anblickt. Sie hält eine Rose und streichelt einen Hund auf dem Tisch neben sich. Insofern wirkt die ganze Szenerie, obwohl ein klein wenig bizarr, recht normal. Doch es gibt drei Motive, die bei diesem Bild ins Auge fallen: der graue Schatten, der die Dame umgibt, die nebelhafte rosafarbene Form unten rechts und ein großer, scharf umrissener, schwarzer Fleck oben, der das Bild völlig beherrscht. Diese Motive stehen, wie schon längst bekannt, für bestimmte Auraphänomene und Gedankenformen." (Sixten Ringbom)

Der graue Schemen um die Figur wird in Leadbeaters "Der sichtbare und der unsichtbare Mensch" als "Gesundheitsaura" bezeichnet, der lebendig vibrierende rosa Kreis bedeutet wohl Zuneigung und Liebe, doch werden diese Ausstrahlungen durch den großen schwarzen Fleck bedroht. Man hat "Dame in Moskau" auch als lebensgeschichtliches Drama vor dem Hintergrund von Kandinskys Situation im Jahr 1912 zu deuten versucht. Fest steht, dass er sich mit dem Motiv des schwarzen Flecks zu dieser Zeit auch in anderen Werken beschäftigt hat, etwa in einem Holzschnitt und in einem gleichnamigen Ölbild (Russisches Museum, St. Petersburg).

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.

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