Rosemary Mayer
Ways of Attaching –

Für Rosemary Mayer (1943–2014) – Künstlerin, Autorin, Übersetzerin – war die Bildhauerei ein Feld nahezu unbegrenzter Möglichkeiten. Mayers Objekte aus zarten Stoffen scheinen dem Gesetz der Schwerkraft zu trotzen. Die Skulptur "Locrian Mode" aus millimeterdünnen Holzplatten, mithilfe von Bändern in eine prekäre Balance gezurrt, stellt die Materialien auf die Probe. Ihre flüchtigen "Temporary Monuments", Installationen unter freiem Himmel aus Luftballons und Schnee verkörpern Mayers eigenen Begriff einer sozialen und bewegten Plastik: "Das Kunstobjekt sollte nicht starr, unbewegt und losgelöst von seinen Umständen sein. Nichts ist", schrieb Mayer 1978.
Durch die Linse der Kunst ihrer Zeit interpretierte Mayer unterschiedliche Traditionen und Genres und gab ihnen neue Form. In ihrem eigenwilligen Werk treffen die kühle Distanz des Minimalismus auf die manieristische Malerei, die Architektur des Barock und des Rokoko und die Texte mittelalterlicher mystischer Autor*innen sowie zeitgenössischer Dichter*innen.
Diese Ausstellung bietet den ersten Überblick über das Schaffen der Künstlerin. Unser Titel "Ways of Attaching" ist absichtsvoll zweideutig: "Attaching" bezeichnet ein Verknüpfen von Materialien, aber auch das Herstellen emotionaler Bindungen mit Freund*innen und Mitstreiter*innen aus Vergangenheit und Gegenwart, was so maßgeblich für Mayers Kunstverständnis war. Am Lenbachhaus liegt der Schwerpunkt auf Mayers skulpturalen Methoden wie Drapieren, Knoten, Spannen und Balancieren, welche sich metaphorisch durch das zeichnerische, geschriebene und performative Werk der Künstlerin bis in die 2000er Jahre ziehen.
Bevor Mayer Kunst studierte, absolvierte sie ein Studium der Klassischen Philologie, ein Einfluss, der sich in ihrem text- und geschichtsaffinen Werk über die Jahrzehnte nachverfolgen lässt. Nach Experimenten in konzeptueller Malerei begann Mayer 1971 eine Reihe von Textilskulpturen, die sie bald nach historischen Frauenfiguren benannte: "Galla Placidia", Regentin des Weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert, gesellte sich zu "Hypsipyle", Heldin einer Tragödie von Euripides, oder zu "Hroswitha", der frühmittelalterlichen Dichterin Hrotsvit von Gandersheim. Mayer war Feministin. Sie war Mitglied einer Frauengruppe mit ihrer Freundin Adrian Piper und 1972 Mitbegründerin der New Yorker A. I. R. Gallery, die erste und heute legendäre Galeriekooperative für Frauen in den Vereinigten Staaten.
Als New Yorkerin, die zudem Kunstkritik und literarische Texte schrieb, war Mayer eingebunden in eine lebendige Kunst- und Literaturszene. Zu dieser zählten nicht zuletzt ihre Schwester, die Dichterin Bernadette Mayer, und der Performancekünstler Vito Acconci, ihr Ehemann in den 1960er Jahren. Zu der experimentellen literarischen Zeitschrift 0-9, die ihre Schwester und Acconci gemeinsam herausgaben, trug die Künstlerin regelmäßig bei. Prägend war außerdem die Begegnung mit der Malerei florentinischer Künstler des Manierismus wie Rosso Fiorentino und Jacopo Pontormo, dessen Tagebuch Mayer über mehrere Jahre übersetzte und mit ihren Kommentaren versehen herausgab. Ihre Reise nach Italien und Süddeutschland auf den Spuren dieser und anderer Künstler*innen brachte sie 1975 auch nach München. Dort interessierte sie sich insbesondere für die St-Johann-Nepomuk-Kirche der Brüder Asam, wie ihre im Lenbachhaus ausgestellten künstlerischen Reisetagebücher bezeugen.
Die Ausstellung wurde organisiert in Zusammenarbeit mit Marie und Max Warsh aus dem Nachlass von Rosemary Mayer und in Partnerschaft mit dem Swiss Institute, New York, dem Ludwig Forum, Aachen und Spike Island, Bristol. Ausstellungsdisplay: Fotini Lazaridou-Hatzigoga, Berlin.
Kuratiert am Lenbachhaus von Stephanie Weber
Werke
- Rosemary Mayer, Galla Placidia, 1973. Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel
- Rosemary Mayer. Fotodokumentation von Balloon For A Birthday / Ballon für einen Geburtstag, 1978. Installiert am 7. November 1978 auf dem Dach des Gebäudes 461 Park Avenue, New York, NY. Foto: Rosemary Mayer
- Rosemary Mayer. Hypsipyle, 1973. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Foto: Swiss Institute, New York
- Rosemary Mayer, Abracadabra Sailboat, 1972. Foto: Trevor Lloyd and Andrea Rossetti / ChertLüdde
- Beowulf: Grendel arrives in Heorot to kill, but is overpowered by Beowulf, who fights without a sword and rips off the monster’s arm / Beowulf: Grendel kommt nach Heorot, um zu töten, doch wird er von Beowulf überwältigt, der ohne Schwert kämpft und den Arm des Ungeheuers abreißt, 2003. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Rosemary Mayer. Connections / Verbindungen, 1978. Courtesy of Beth Rudin DeWoody and Gordon Robichaux, New York
- Rosemary Mayer mit Katze und den Skulpturen Hypsipyle und Catherines, ca. 1973. Kontaktbogen. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Rosemary Mayer, Untitled (8.27.71), 1971. Foto: Estate of Rosemary Mayer
- Die Künstlerin mit ihrer Skulptur Hroswitha in der A.I.R. Gallery in New York, 1973. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Skizze zu The Locrian Mode / Der Lokrische Modus, 1974-1975. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Rosemary Mayer. Snapdragon / Löwenmäulchen, 1993. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Fotodokumentation von Some Days in April / Einige Tage im April, 1978. Installiert in der Woche des 17. April, 1978, auf dem Grundstück von Bruce Kurtz, Hartwick, New York. Fotograf*in unbekannt
- Rosemary Mayer. The Locrian Mode / Der Lokrische Modus, 1974-1975. The Rosemary Mayer Estate, New York. Foto: Mareike Tocha, Ludwig Forum Aachen
- Rosemary Mayer. De Medici, 1972. Privatsammlung Aachen/ Private Collection, Aachen. Foto: The Rosemary Mayer Estate, New York
- Rosemary Mayer. Fotodokumentation von Spell / Zauberformel, 1977. Farmer’s Market, Jamaica, New York. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York. Foto: Eeva Inkeri
- Rosemary Mayer. Untitled (There are evil flowers) / Ohne Titel (Es gibt bösartige Blumen), 1976. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York
- Rosemary Mayer. Passages, 1976. Handgebundenes und collagiertes Buch. Courtesy The Rosemary Mayer Estate, New York