Natascha Sadr Haghighian

Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)

Natascha Sadr Haghighian

Die Frage nach Kollektivität zieht sich durch Natascha Sadr Haghighians Werk. Ihre meist installativen Arbeiten versteht sie als Räume einer sinnlichen Neuverhandlung von Gemeinschaft, die auffordern, Migration als Teil des Daseins zu begreifen. Kollaborative Arbeitsweisen und humorvolles Unterwandern repräsentativer Rollen sind charakteristisch für ihr Vorgehen. Im Rahmen ihrer Arbeit für den deutschen Pavillon in Venedig 2019 trug sie außer dem Pseudonym Natascha Süder Happelmann – ein Kondensat der Fehlschreibungen und Autokorrekturen ihres iranischen Namens – einen Stein aus Pappmaché auf dem Kopf. Ein Stein, der die nationale Repräsentation konsequent und komisch ad absurdum führte.

Die Trillerpfeife steht im Zentrum der Arbeiten, die Natascha Sadr Haghighian im Lenbachhaus zeigt. Das simple Signalinstrument findet sowohl bei Autoritäten als auch im Protest gegen diese Verwendung. Die Trillerpfeife fordert Aufmerksamkeit und verkörpert Dringlichkeit, ohne dabei eindeutig für oder gegen die bestehende Ordnung zu stehen. Dadurch macht sie Ordnung neu verhandelbar und wird poetisches Werkzeug. Das großformatige Banner "Jetzt wo ich Dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)", das der Ausstellung ihren Titel leiht, ist dem im letzten Jahr verstorbenen Aktivisten Hassan Numan gewidmet. Zusammen mit anderen hatte er im Kampf gegen Abschiebung Trillerpfeifen als Instrumente der Solidarität eingesetzt. Ein tumulthafter Akt des gemeinsamen Handelns.

Während der Laufzeit der Ausstellung findet im Garten des Lenbachhauses an vier Abenden das Projekt "The Broken Pitcher"von Natascha Sadr Haghighian, Marina Christodoulidou und Peter Eramian statt.
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Begleitheft zur Ausstellung

Beiblatt zu "Pssst Leopard 2A7+" (PDF)

Stimmen

"Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist die 1967 in Teheran geborene iranisch-deutsche Installations- und Videokünstlerin 2019, als sie den deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielte. (...) Etliche der Biennale-Arbeiten sind nun auch im Lenbachhaus zu sehen. Und spätestens bei der Leopard-Arbeit im Foyer, einer "Klanguntersuchung", an der sie seit 2013 arbeitet, wird einem bewusst, wie aktuell ihre künstlerische Feldforschung ist. Wie ganz anders blickte man doch vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf den Leopard Kampfpanzer."

Evelyn Vogel, SZ

"In Filmen wanderte das stumme Wesen durch Italien, nicht als Tourist, sondern als Zeuge von Traurigem. Einen Kontrast zu solch Stille setzt die Künstlerin in München mit ihrer Hommage an die Trillerpfeife. (...) "Titel spielen eine ganz große Rolle", sagt sie und verweist auf den Ausstellungstitel "Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)". Diese Pfeifen seien ihr zum poetischen Werkzeug geworden, damit etwas neu verhandelbar wird". Natascha Sadr Haghighian gefällt an den Lärminstrumenten, dass "sie nicht parteiisch sind". Und in der Tat kann man mit ihnen auf sich aufmerksam, aber auch andere mundtot machen, man kann Zorn, aber auch begeisterte Zustimmung herauspfeifen."

Simone Dattenberger, Münchner Merkur

"Am Lenbachhaus sind nun zentrale Projekte von Sadr Haghighian zu sehen: Mit ihrer Arbeit "Ankersentrum", einer mehrteiligen Arbeit, die erstmals in Venedig gezeigt wurde, stehen dabei die Migration sowie die moderne Leibeigenschaft im Zentrum der Betrachtung. Mit ihrem Werktitel nimmt Sadr Haghighian Bezug auf die erstmals in Bayern eingerichteten "Zentren für Ankunft, Entscheidung, Rückführung", ein Euphemismus an sich hinsichtlich der angestrebten Prozesshaftigkeit zwecks organisierter Isolierung und Abschiebung von Migranten. (...) Die Arbeit "Pssst Leopard 2A7+" wiederum befasst sich mit einem Produkt der deutschen Rüstungsindustrie. (...) Mit jedem Ort, an dem die Installation Station macht, wächst das Klangarchiv der Installation an. Und man trifft nun, mit München, zum ersten Mal auf den Ausgangsort dieses kriegerischen Geräts."

Artprofil

"Die iranisch-deutsche Künstlerin entlarvt Machtstrukturen und Migrationslügen."

Tanja Beuthien, art

"Haghighian wehrt sich mit ihrer Kunst gegen die Einseitigkeit von Geschichten, es geht ihr um den Perspektivwechsel, um parallel existierende Narrative. (…) Es geht ihr nicht um Dokumentation oder Information. Es geht ihr darum, Dinge anders zu sehen, neu wahrzunehmen. Das schließt auch den Schmerz ein, von dem der Ausstellungstitel spricht."

Julie Metzdorf, kulturWelt, Bayern 2

"In der Tat sind Sadr Haghighians Werke nicht plakativ oder moralisierend, sondern subtil, anspielungsreich und sehr konkret."

Julian Ignatowitsch, Deutschlandfunk

Video

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"Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)" – Ausstellung im Lenbachhaus

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