Präsentation des Tagungsbandes
»Landschaftsmalerei, eine Reisekunst? – Mobilität und Naturerfahrung im 19. Jahrhundert«
Hrsg. für die Christoph Heilmann Stiftung von Claudia Denk und Andreas Strobl, Berlin / München: Deutscher Kunstverlag 2017
Montag, 23. Oktober 2017, 19 Uhr
Lenbachhaus
Mit einem Vorwort von Christoph Heilmann und Matthias Mühling
Mit Beiträgen von Werner Busch, Michael Clarke, Bernhard Maaz, Marcel Perse, Ruth Pullin, Andreas Tacke u.a.
Die Christoph Heilmann Stiftung am Lenbachhaus veranstaltete ausgehend von ihrer Sammlung europäischer Landschaften und Ölstudien im Jahr 2015 eine internationale Tagung zum reisenden Landschaftsmaler, deren Ergebnisse nun in einem Buch erscheinen. Um 1800 wurde das Reisen nicht nur zu einer Modeerscheinung, die als Bildungsreise zunehmend die bürgerlichen Schichten erreichte, sondern avancierte zu einer wissenschaftlichen und künstlerischen Praktik, die substanziell neue naturkundliche und ästhetische Erfahrungen erbringen konnte. Mobilität und Naturerfahrung wurden deshalb zu wesentlichen Angelpunkten der Landschaftskunst im 19. Jahrhundert. Reisen in nah und fern führten zu Unbekanntem, neuen künstlerischen Arbeitsweisen und verhalfen insbesondere der atmosphärischen Ölskizze zu großem Erfolg. Mehr noch erlangte die aufkommende Reiselust, wie sie ganz besonders in dem berühmten Handbuch von Pierre-Henri de Valenciennes' propagiert wurde, im Rahmen der Ausbildung der Landschaftsmaler und ihrer Identitätsbildung eine hohe Bedeutung.
In dem Tagungsband thematisieren internationale und renommierte Fachleute die besondere Arbeitssituation des reisenden Landschaftsmalers. Sie beschäftigen sich mit der künstlerischen Erinnerungsarbeit auf Reisen und den entwickelten zeichnerischen und malerischen Aneignungsstrategien. Letztlich führte der neue Arbeitsmodus auf Reisen zu einem neuen Landschaftsbild.
Vortrag: »Der romantische Tourist«
Prof. Dr. Hubert Locher, Direktor Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg und Professor für Geschichte und Theorie der Bildmedien, Kunstgeschichtliches Institut der Philipps-Universität Marburg
Zu den grundlegenden Topoi des Romantischen gehört die Sehnsucht, der Zug in die Fremde, der dem tief empfundenen Gefühl der Heimatlosigkeit entspringt. So bricht der Romantiker in einer idealen, geistigen Bewegung auf zu neuen Ufern und in fremde Gegenden, sucht die verlorene Heimat seiner Seele, jenes Land, in dem die Zitronen blühen und die Orangen reifen. Wenn es möglich ist, kommt es auch zu Bewegungen und Wanderschaften im realen Raum: Der Romantiker geht tatsächlich auf Wanderschaft in ferne Gegenden und Länder, reist ohne bestimmten Zweck und mit unklarem Ziel. Der romantische Tourist ist auf ganz andere Art als der englische »Grand Tourist« des 18. Jahrhunderts unterwegs, indem er nicht die Sehenswürdigkeiten verfolgt, sondern nach einem innerlichen Bildungserlebnis strebt, das er in der Erfahrung des Fremden zu gewinnen sucht. Schon aus pragmatischen Gründen kann sich jedoch der romantische Reisende nicht gänzlich der Konvention entziehen. Er reist in unbekannte Gegenden, um diese Gegenden für sich zu erkunden und sich ideell anzueignen, folgt aber doch vorgefassten Vorstellungen und Ideen. In seinem Beitrag stellt Prof. Dr. Hubert Locher diese Grunddisposition im Blick auf den frühen romantischen Reisenden dar. Zur Sprache kommen Laurence Sterne ebenso wie Joseph von Eichendorff und Heinrich Heine, mit einem kurzen Ausblick auf die Moderne.