Der Geist im Hausgestühl: Stillleben mit Katze by August Macke

Details

Date
1910
Classification
Gemälde
Medium
Öl auf Leinwand
Dimensions
69 cm x 74 cm
Signature and inscriptions
auf der Tischkante l.: Seiner lieben Mutter | diesen Geist in unserem Hausgestühl. | 18. Febr. 1910. August.
On display
No
Inventory number
FH 557
Acquisition
Leihnahme 2010
Credit line
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe Stiftung Familie Kames
Citation / Permalink
August Macke, Der Geist im Hausgestühl: Stillleben mit Katze, 1910, Öl auf Leinwand, 69 cm x 74 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe Stiftung Familie Kames
https://www.lenbachhaus.de/en/discover/collection-online/detail/der-geist-im-hausgestuehl-stillleben-mit-katze-30036173
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Werktext

In Mackes nur wenige Jahre umfassendem reifen Werk spielen ab 1910/11 Stillleben eine große Rolle, hier brachte er seine ebenso sinnliche wie konzentrierte Malerei zu früher Meisterschaft. Sein "Der Geist im Hausgestühl: Stillleben mit Katze" ist nicht nur vom Titel, sondern auch von der Zusammenstellung der Motive und deren räumlicher Anordnung her vielschichtig. Auf den ersten Blick besticht das Gemälde durch seine klaren und doch raffiniert gesetzten Farben, die planen Flächen von Tisch und Wand in leuchtendem Türkis, die Akzente von Orange, Gelb und Weiß und die verschiedenen Abstufungen von weiteren sparsamen grünen und roten Tönen. Auf der schmalen, diagonal ins Querformat gesetzten Tischplatte sind ein Krug, weitere Gefäße und ein kleiner Geranientopf arrangiert, dazwischen die leuchtende Zitrone, Orangen und das weiße Tuch, an der Wand darüber ist eine farbige, ungerahmte Zeichnung offenbar ohne viel Umstände direkt auf die Wand gebracht. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine relativ großformatige Pastellzeichnung von Mackes eigener Hand nach den 'spätgotischen' Holzfiguren dreier Musikanten aus dem Nachlass seines Vaters, die er um 1908 geschaffen hatte. Vom selben Motiv fertigte er 1911 nochmals eine sehr viel deutlichere Bleistiftzeichnung mit kräftigen Konturen, "Alte hölzerne Tanzfiguren", die er wiederum als Vorlage für ein – seitenverkehrt wiedergegebenes – farbiges Hinterglasbild nahm. Im vorliegenden Stillleben fügt sich die Darstellung auf dem Pastell als lebendiges, animierendes Moment zwanglos in das sparsame und zugleich ästhetisch ausgesuchte Arrangement der Gegenstände ein. Vor allen diesen Elementen steht, am vorderen Bildrand ins Profil gewandt, die große Figur einer lebenden getigerten Katze, die wie in einer Momentaufnahme auf einen Punkt außerhalb des Bildes gerichtet ist.

Macke schenkte dieses Bild seiner Schwiegermutter Sophie Gerhardt zum Geburtstag mit der Widmung: "Seiner lieben Mutter diesen Geist in unserem Hausgestühl. 18. Februar 1910. August". Dies bestätigen die Erinnerungen seiner Frau Elisabeth Erdmann-Macke, der zufolge Macke erst ganz zuletzt die Katze in die Darstellung eingefügt hat, da ihre Mutter reine Stillleben nicht sonderlich schätzte. Für die Richtigkeit dieser Überlieferung spricht, dass das Tier und auch das Segment der kleinen Fläche neben ihm sehr viel pastoser gemalt sind als der Rest des Bildes; hier hat Macke offenbar mit Übermalung vorhandener Farbschichten gearbeitet.
Der Titel schließlich spielt, worauf schon Ursula Heiderich hingewiesen hat, auf die kleine Schrift von Friedrich Naumann, "Der Geist im Hausgestühl. Ausstattungsbriefe", an, die um 1910 im Verlag der deutschen Werkstätten der Handwerkskunst in Dresden-Hellerau erschienen ist. Dabei handelt es sich um den wohl fiktiven Briefwechsel eines Onkels mit seiner Nichte zur sinnvollen und sparsamen Ausstattung ihrer Wohnung, mit leicht humoristischem und lebensreformerischem Impetus geführt. Dies passt zu dem oft humorvollen, zum Teil ironischen Umgangston in Mackes eigenen Briefen; mit dem Bild des "Geist im Hausgestühl" wollte er offenbar zudem auf die Art der Einrichtung in seiner und Elisabeths Wohnung anspielen.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.