Werktext
Das "Stillleben grau" von 1910 steht unter Gabriele Münters Stillleben denen Jawlenskys und der französischen Tradition besonders nahe. Sehr ähnlich wie in dessen "Stillleben mit Früchten" wird die Bildfläche durch eine Mittellinie in zwei verschiedenfarbige, miteinander korrespondierende Flächen geteilt, hier sind es helles Graugrün und stärkeres Graublau. Schmale schwarze Konturen fassen die auf der Tischplatte versammelten Gegenstände – Äpfel, eine Vase und Blätter (?) – ein. Die schlichten Figuren scheinen ihre Substanz ganz aus den kaum modellierten Farbpigmenten zu beziehen. Durch die bewusste Symmetrie der leicht in Aufsicht gegebenen Anordnung strahlt das Gemälde einen ruhigen, harmonischen Wohlklang aus.
In einer undatierten Aufzeichnung notierte Münter einmal: "Wenn ich ein formales Vorbild hatte – und gewissermaßen war das von 1903-1913 der Fall – so ist es wohl van Gogh durch Jawlensky und dessen Theorien (das Sprechen von der Synthese)", um gleich darauf den ungleich stärkeren Einfluss von Kandinsky zu betonen. Neben van Gogh muss jedoch auch auf den von Jawlensky vermittelten Einfluss von Matisse und – noch weiter zurückreichend – von Cézanne verwiesen werden, um ein Bild wie "Stillleben grau" in seinen Voraussetzungen zu erfassen. Dass dabei die Arbeit mit den puren Form- und Farbgesetzen auf ihre Weise zu einer 'Vergeistigung' und letztlich Entmaterialisierung des Gegenstandes führte, hat Franz Marc in seiner Kritik der zweiten Ausstellung der 'Neuen Künstlervereinigung München' hellsichtig beschrieben:
"Dieses kühne Unterfangen, die 'Materie', an der sich der Impressionismus festgebissen hat, zu vergeistigen, ist eine notwendige Reaktion, die in Pont Aven unter Gauguin begann und bereits unzählige Versuche aufweist. Was bei diesem neuen Versuch, den die 'Neue Künstlervereinigung' macht, uns so aussichtsreich erscheint, ist, dass ihre Bilder neben ihrem aufs Höchste vergeistigten Sinn höchst wertvolle Exempel für Raumaufteilung, Rhythmus und Farbtheorie enthalten …"
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
In einer undatierten Aufzeichnung notierte Münter einmal: "Wenn ich ein formales Vorbild hatte – und gewissermaßen war das von 1903-1913 der Fall – so ist es wohl van Gogh durch Jawlensky und dessen Theorien (das Sprechen von der Synthese)", um gleich darauf den ungleich stärkeren Einfluss von Kandinsky zu betonen. Neben van Gogh muss jedoch auch auf den von Jawlensky vermittelten Einfluss von Matisse und – noch weiter zurückreichend – von Cézanne verwiesen werden, um ein Bild wie "Stillleben grau" in seinen Voraussetzungen zu erfassen. Dass dabei die Arbeit mit den puren Form- und Farbgesetzen auf ihre Weise zu einer 'Vergeistigung' und letztlich Entmaterialisierung des Gegenstandes führte, hat Franz Marc in seiner Kritik der zweiten Ausstellung der 'Neuen Künstlervereinigung München' hellsichtig beschrieben:
"Dieses kühne Unterfangen, die 'Materie', an der sich der Impressionismus festgebissen hat, zu vergeistigen, ist eine notwendige Reaktion, die in Pont Aven unter Gauguin begann und bereits unzählige Versuche aufweist. Was bei diesem neuen Versuch, den die 'Neue Künstlervereinigung' macht, uns so aussichtsreich erscheint, ist, dass ihre Bilder neben ihrem aufs Höchste vergeistigten Sinn höchst wertvolle Exempel für Raumaufteilung, Rhythmus und Farbtheorie enthalten …"
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.