Werktext
Im Hinterglasbild "Heiliger Georg I" begegnet uns eine frühe, noch sehr am Prototyp der religiösen Volkskunst orientierte Darstellung des christlichen Ritters, der in stärker abstrahierenden Darstellungen Kandinskys – in Hinterglas, Aquarell, Öl und Holzschnitt – zum Herold der Bewegung des 'Blauen Reiter' wird. In das buntleuchtende Quadrat des kleinen Hinterglasbildes sind die beiden Diagonalen von Reiter und Lanze bildfüllend eingespannt. Der Heilige in grün-goldener Rüstung, vornübergeneigt auf scheuendem Pferd, stößt seine mächtige Waffe unter sich in den gewundenen Leib des Drachens. Sein Pferd von tiefleuchtendem Königsblau, mit dem Gold des Ritters gefleckt, senkt tief den Kopf; hinter ihm wird ein dunkelroter Himmel und ein runder Baum sichtbar, der als ein Attribut des Reitermotivs bereits in früheren Bildern Kandinskys vorkommt. Das Drama der Bewegung auf engstem Raum und das heftige Zurückstoßen deuten Kampf, aber auch Sieg an.
Kandinsky steigert hier, besonders durch die märchenhafte Farbwahl für Glas und Rahmen, den Antinaturalismus der populären bayerischen Hinterglasmalerei. Deren 'Primitivität', die direkte, schlichte Art der Darstellung und die Inbrunst der Empfindung hatten nicht nur der Arbeit Kandinskys wichtige Impulse gegeben. Bereits im ersten Murnauer Jahr hatten er und Münter die bayerische Volkskunst entdeckt. Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter maßen diesen volkstümlichen Bildern eine beinahe magische Kraft zu und nahmen unter die Illustrationen des Almanachs später ein Dutzend bayerischer Hinterglasbilder auf.
Im Reiterheiligen und Drachentöter St. Georg, der gerade in Bayern besondere Verehrung genoss und in einer Vielzahl von Darstellungen verbreitet war, hatte Kandinsky offenkundig für das in seinem Werk so zentrale Motiv des Reiters eine zusätzliche symbolische Dimension gefunden. Zu der persönlichen Metapher, die seit den Bilderfindungen seines Frühwerks die Suche nach einer Erneuerung der Kunst und den Aufbruch des Geistigen bedeutete, treten nun noch die religiösen Konnotationen des reinen und heiligen Sieges über das Böse. Die zahlreichen Werke zum hl. Georg aus dem Jahr 1911 belegen, wie intensiv sich Kandinsky mit diesem Thema auseinandersetzte.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.
Kandinsky steigert hier, besonders durch die märchenhafte Farbwahl für Glas und Rahmen, den Antinaturalismus der populären bayerischen Hinterglasmalerei. Deren 'Primitivität', die direkte, schlichte Art der Darstellung und die Inbrunst der Empfindung hatten nicht nur der Arbeit Kandinskys wichtige Impulse gegeben. Bereits im ersten Murnauer Jahr hatten er und Münter die bayerische Volkskunst entdeckt. Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter maßen diesen volkstümlichen Bildern eine beinahe magische Kraft zu und nahmen unter die Illustrationen des Almanachs später ein Dutzend bayerischer Hinterglasbilder auf.
Im Reiterheiligen und Drachentöter St. Georg, der gerade in Bayern besondere Verehrung genoss und in einer Vielzahl von Darstellungen verbreitet war, hatte Kandinsky offenkundig für das in seinem Werk so zentrale Motiv des Reiters eine zusätzliche symbolische Dimension gefunden. Zu der persönlichen Metapher, die seit den Bilderfindungen seines Frühwerks die Suche nach einer Erneuerung der Kunst und den Aufbruch des Geistigen bedeutete, treten nun noch die religiösen Konnotationen des reinen und heiligen Sieges über das Böse. Die zahlreichen Werke zum hl. Georg aus dem Jahr 1911 belegen, wie intensiv sich Kandinsky mit diesem Thema auseinandersetzte.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.