Impression VI (Sonntag) von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1911
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
107,7 cm x 95,3 cm x 2,3 cm
Ausgestellt
Nein
Inventarnummer
GMS 57
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Impression VI (Sonntag), 1911, Öl auf Leinwand, 107,7 cm x 95,3 cm x 2,3 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/impression-vi-sonntag-30018927
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Werktext

Auch das Thema der "Impression VI (Sonntag)" gehört in das Umfeld bürgerlichen Müßiggangs und strahlt, mehr noch als die "Impression IV (Gendarme)", etwas von dessen Atmosphäre aus. Ein sonntägliches Paar, er im dunklen Anzug mit rundem, steifem Hut, sie im langen, taillenbetonten Kleid und elegantem Damenzylinder, schreitet dem Betrachter entgegen. Ein weißes Hündchen läuft ihnen voraus, hinter ihnen verschwimmt die bunte Kulisse eines Parks, in dem man unter anderem ein Kind auf der Schaukel vermuten möchte. Obgleich nur in Umrissen angedeutet, verweist uns das promenierende Paar durch seine Tracht in die Belle Époque am Ende des 19. Jahrhunderts. Schon zu Beginn von Wassily Kandinskys malerischer Entwicklung diente ihm diese Zeit, ebenso wie die des späten Biedermeier, zur Charakterisierung seiner figürlichen Themen.

Zu Kandinskys frühesten 'erfundenen' Öl- und Tempera-Bildern zählen "Helle Luft" von 1901 (Centre Georges Pompidou, Paris) mit promenierenden Reifrockdamen des Second Empire sowie "Im Park", um 1902 (Städtische Galerie im Lenbachhaus, München), das eine Dame in der Mode dieser Zeit mit Hündchen in einem Schlossgarten zeigt. Diese frühen Eindrücke und ihre Stimmung scheinen in "Impression VI (Sonntag)" in mondäner, leicht französisierter Form wieder aufzutauchen. Auffallend ist hier, ebenso wie in "Impression IV (Gendarme)" und auch in "Impression V (Park)" (Centre Georges Pompidou, Paris), die Reduktion der Figuren auf ein Gerüst mehr oder weniger kräftiger schwarzer Konturen, meist auf ihren Umriss. Mit der Undeutlichkeit der subjektiven Wahrnehmung, wie sie den 'Impressionen' eigen ist, werden die Figuren entkörperlicht und durchlässig für die autonome Farbe. Auf diese Weise verschmelzen sie mit ihrer Umgebung, ohne ihrerseits ihre Existenz aufzugeben. Sie agieren als graphische Chiffren weiter, die sich in Kandinskys Bildentwürfen ab 1911 zunehmend als eigengewichtige Elemente emanzipieren.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.