Berg von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1909
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Leinwand
Maße
109 cm x 109 cm
Signatur / Beschriftung
u. l.: KANDINSKY 1909
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
GMS 54
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Berg, 1909, Öl auf Leinwand, 109 cm x 109 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/berg-30018932
Tags

Werktext

Wie auch "Studie zu Improvisation 2 (Trauermarsch)" schuf Wassily Kandinsky auch dieses erstaunliche Bild mit dem lapidaren Titel "Berg" im Jahr 1909. Mit seinen nahezu gegenstandslosen, halluzinatorischen und emotional besetzten Formen scheint es Kompositionsweisen von Kandinskys stürmischer 'abstrakter' Phase kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorwegzunehmen. Mit Mühe erkennt der Betrachter die bis zur Unkenntlichkeit verwischten Schemen zweier Figuren vor dem farbigen Kegel eines Berges. Der grüne Berghang ist weiß 'aufgerissen' und wird von einer dominierenden blauen Bahn umgeben, an die sich weiter außen wie ein Echo eine rote Energiezone anschließt. Die figürlichen Chiffren des Bildes erschließen sich bei näherer Betrachtung als Reminiszenzen bereits bekannter Symbole. Unten begegnen sich ein Reiter auf weißem Pferd und eine ihm unbestimmt entgegengewandte Figur, sekundiert von einer Zackenlinie und einer dunkel geneigten Form am linken und rechten Bildrand. Ganz oben in den Gipfel des Berges ist ein Formennachhall des vertrauten Motivs einer kuppelreichen russischen Kremlstadt eingeschrieben.

Auch hier mag ein Vergleich mit verwandten Bildschöpfungen Kandinskys zum Verständnis beitragen. In erster Linie ist hier das 1908/09 entstandene Bild "Der Blaue Berg" heranzuziehen (Solomon R. Guggenheim Museum, New York). Vor einem ähnlich zentral postierten blauen Berg ziehen in der Mitte dieses Bildes drei Reiter auf Schimmeln nach rechts. An den äußeren Bildrändern steht je eine Figur, die rechte ähnlich geneigt wie die dunkle Form in "Berg". Über ihnen wölben sich zwei riesige Baumkronen von ähnlich leuchtendem Gelb und Rot. Auch hier ist das Thema trotz der Erkennbarkeit der Figuren ebenso rätselhaft wie in "Berg".

Fest steht lediglich, dass die Landschaft in Verbindung mit dem Motiv des Reiters mehr als je zuvor spirituelle Qualitäten gewinnt. Auch die Farben nehmen an dieser Verwandlung teil. Blau, bereits in der Romantik eine symbolische Farbe, ist für Kandinsky die "typisch himmlische Farbe", die im Menschen die Sehnsucht nach dem Reinen und Unendlichen weckt. Rot ist für ihn, in der richtigen Schattierung, eine warme, reife Farbe voller Energie und zielbewusster Kraft. Das Weiß hingegen, unter dessen Herrschaft die Figuren von Berg gesetzt sind, wirkt wie ein absolutes Schweigen. Wenn wir aber, so Kandinsky, "hinter die Mauer geblickt" haben, so erscheint es voller ungeahnter Möglichkeiten.

Wenn auch das Thema des Berges auf einen realen Landschaftseindruck zurückgehen mag – aufschlussreich ist der Vergleich mit der annähernd symmetrischen und spitzen Kegelform des Berges in "Naturstudie aus Murnau I" oder auch in "Herbstlandschaft" von 1911 (Privatbesitz, Chicago) –, so verschmelzen Landschaft und Figürliches in einem Bild wie Berg erstmals zu einer neuen Einheit. Bislang getrennte Gattungen im Œuvre Kandinskys – die "Ölstudien" vor der Natur und die rätselvollen "Figurenbilder" in anderen Techniken werden jetzt erstmals in großen Gemälden zusammengeführt: für Kandinsky der Durchbruch zu seinen eigenen, in der Theorie bereits lange antizipierten Ausdrucksmitteln.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

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