Studie zu "Improvisation Nr. 2 (Trauermarsch)" von Wassily Kandinsky

Details

Datierung
1909
Objektart
Gemälde
Material
Öl auf Pappe
Maße
49,8 cm x 69,8 cm|50 cm x 69,5 cm
Ausgestellt
In "Der Blaue Reiter"
Inventarnummer
GMS 50
Zugang
Schenkung 1957
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
Zitiervorschlag / Permalink
Wassily Kandinsky, Studie zu "Improvisation Nr. 2 (Trauermarsch)", 1909, Öl auf Pappe, 49,8 cm x 69,8 cm|50 cm x 69,5 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/studie-zu-improvisation-nr-2-trauermarsch-30019275
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Werktext

1909 begann Wassily Kandinsky viele seiner wichtigeren neuen Werke in drei Kategorien einzuteilen, in "Impressionen", "Improvisationen" und "Kompositionen". Unter "Impressionen" verstand er "Eindrücke äußerer Natur", unter "Kompositionen" eine überlegte, ebenso rationale wie auch emotionale Malerei, die sich nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten organisierte. Die Gruppe der "Improvisationen" hingegen beschrieb Kandinsky als "hauptsächlich unbewusste, größtenteils plötzlich entstandene Ausdrücke der Vorgänge inneren Charakters, als Eindrücke von der 'inneren Natur'".

Die "Studie zu Improvisation 2 (Trauermarsch)", deren Endfassung sich im Moderna Museet, Stockholm, befindet, ist eine der ersten von zahlreichen weiteren Improvisationen, die Kandinsky bis 1913 schuf und in laufender Folge durchnummerierte. Vor einer unwirklichen, schemenhaft an Landschaftselemente erinnernden Szenerie sind am vorderen Bildrand in der Mitte drei russisch anmutende Frauenfiguren versammelt, eine weitere sitzt etwas abgerückt rechts von ihnen, während von links ein Reiter auf einem weißen Pferd in das Bild hereinkommt.

Ein Hauch von Symbolismus liegt über der rätselhaften Szene. Wie in einer Reihe späterer "Improvisationen" prägt der Motivschatz der märchenhaften, russischen Bilder auch hier noch trotz der formalen Veränderungen den gesamten Charakter dieses "Eindrucks innerer Natur". Dabei gibt die im Untertitel genannte Bezeichnung "Trauermarsch" weniger eine Handlung als vielmehr die Stimmung des Bildes an. In ihrem gedämpften, bedeutungsschweren Charakter sind etwa das "Bild mit Kahn" von 1909 oder das frühere "Mit drei Frauen" vergleichbar, die in kompositioneller Hinsicht wie im Hinblick auf Einzelelemente Aufschlüsse für die Deutung von "Improvisation 2" geben.

Danach lässt sich der tiefblaue Streifen, der die Figuren vorn wie auf einer Rampe abtrennt, als Wasser identifizieren, die beiden großen bunten Blöcke hinter ihnen sind Berge oder Felsen, die runde angelagerte Form zwischen ihnen eine Wolke. Doch diese blockhaften Formen, insbesondere die rechte mit dem leuchtenden Orange und hellblauem 'Rücken', scheinen sich in organische Gestalten zu verwandeln, nicht zuletzt durch die differenzierte Farbigkeit, die ihre Binnenfelder mit unruhigem Leben erfüllt. In ähnlich geduckter Haltung verharren auch die schematisierten Frauengestalten und der von links herankommende Reiter. Mit ihm taucht eine zentrale Gestalt der Vorstellungswelt Kandinskys auf, die gerade in der Gruppe der "Improvisationen" häufig begegnet und nicht zuletzt zur Symbolfigur des "Blauen Reiter" werden wird.

Alle Figuren sind vom Bildrand überschnitten, was ihre Bedeutung verunklärt. Offenbar sucht Kandinsky in den "Improvisationen" nach antimateriellen Ausdrucksweisen. Die Verunklärungen von Form und Inhalt sind dabei Schritte auf dem Weg zu einer neuen, autonomen Realität der Malerei.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.

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