Werktext
Nach Jahren eines unsteten Wanderlebens waren Wassily Kandinsky und Gabriele Münter 1908 nach Bayern zurückgekehrt und hatten im Sommer den kleinen Ort Murnau im oberbayerischen Alpenvorland für sich zum Malen entdeckt. Nachweislich war Kandinsky bereits 1904 einmal in Murnau gewesen, auf einer Radtour über "Murnau-Oberammergau-Oberau nach Partenkirchen", wie sich in seinen Briefen und Postkarten an Münter vom August dieses Jahres detailliert ablesen lässt. Unter anderem wollte er russischen Verwandten bei der Suche nach einer Sommerfrische in Garmisch behilflich sein und von dort auch eine gemeinsame Bergtour mit seinem ehemaligen Studienfreund aus der Ažbe-Schule Nikolaj Seddeler und seiner Frau unternehmen, die in Garmisch Quartier bezogen hatten. Offenbar hatte Kandinsky dabei in Murnau im Bahnhofsviertel übernachtet, wie eine Postkarte an Münter belegt.
Am 25. August 1904 folgt die wunderbare briefliche Beschreibung seiner Radtour von Murnau nach Garmisch bei heftigem Regenwetter: "Und doch war es schön! Unglaublich schöne Sachen habe ich im Gebirge gesehen: diese ganz tief liegende und sich langsam bewegende Wolken, der dunkelviolette Wald, die blendendweisse Gebäude, Sammettiefe Dächer der Kirchen, das sattgrüne Laub habe ich immer noch vor den Augen. Habe sogar von den Sachen geträumt." Auch Jawlensky und Werefkin kannten Murnau offenbar seit 1905, spätestens jedoch seit 1907; auf den Herbst dieses Jahres ist ein Skizzenbuch Werefkins mit Ansichten des Ortes datiert.
Der gemeinsame Sommeraufenthalt 1908 aller vier Künstler bedeutete nun besonders für Kandinsky, Münter und Jawlensky den Durchbruch zu einer freien, expressiven Malerei und einen Bruch mit ihrem bisherigen Frühwerk. Der neue Malstil wird jetzt bestimmt von einer flächigen, auf die Grundformen reduzierten Darstellungsweise und intensiv leuchtenden, kontrastreichen Farben, die sich vom Naturvorbild zu lösen beginnen. Dies lässt sich bereits in einem der ersten von Kandinsky hier gemalten Bilder, dem "Blick aus dem Fenster des Griesbräu", beobachten, das die Aussicht aus dem Fenster des Gasthofs an der Oberen Hauptstraße zeigt, in den sich die vier Künstler eingemietet hatten. Die lang gezogenen, breiten Pinselzüge weisen ebenso wie die modellierten Details der bunten Häuser noch einen Hauch Jugendstil auf, bald werden sich in seinen zahlreichen Murnau-Ansichten Farbe und Form weiter zu einem "Extrakt" verdichten, wie es auch Münter für ihre eigenen Bilder dieser Periode beschreiben hat.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.
Am 25. August 1904 folgt die wunderbare briefliche Beschreibung seiner Radtour von Murnau nach Garmisch bei heftigem Regenwetter: "Und doch war es schön! Unglaublich schöne Sachen habe ich im Gebirge gesehen: diese ganz tief liegende und sich langsam bewegende Wolken, der dunkelviolette Wald, die blendendweisse Gebäude, Sammettiefe Dächer der Kirchen, das sattgrüne Laub habe ich immer noch vor den Augen. Habe sogar von den Sachen geträumt." Auch Jawlensky und Werefkin kannten Murnau offenbar seit 1905, spätestens jedoch seit 1907; auf den Herbst dieses Jahres ist ein Skizzenbuch Werefkins mit Ansichten des Ortes datiert.
Der gemeinsame Sommeraufenthalt 1908 aller vier Künstler bedeutete nun besonders für Kandinsky, Münter und Jawlensky den Durchbruch zu einer freien, expressiven Malerei und einen Bruch mit ihrem bisherigen Frühwerk. Der neue Malstil wird jetzt bestimmt von einer flächigen, auf die Grundformen reduzierten Darstellungsweise und intensiv leuchtenden, kontrastreichen Farben, die sich vom Naturvorbild zu lösen beginnen. Dies lässt sich bereits in einem der ersten von Kandinsky hier gemalten Bilder, dem "Blick aus dem Fenster des Griesbräu", beobachten, das die Aussicht aus dem Fenster des Gasthofs an der Oberen Hauptstraße zeigt, in den sich die vier Künstler eingemietet hatten. Die lang gezogenen, breiten Pinselzüge weisen ebenso wie die modellierten Details der bunten Häuser noch einen Hauch Jugendstil auf, bald werden sich in seinen zahlreichen Murnau-Ansichten Farbe und Form weiter zu einem "Extrakt" verdichten, wie es auch Münter für ihre eigenen Bilder dieser Periode beschreiben hat.
Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2013.