Landschaft mit rotem Tier, Postkarte aus Sindelsdorf an Alfred Kubin in Wernstein/Zwickledt von Franz Marc

Details

Datierung
18. März 1913
Objektart
Postkarte
Material
Aquarell, Gouache, Tusche
Maße
9 cm x 14 cm
Signatur / Beschriftung
u. r. mit Tusche: M.; rückseitig Poststempel: Sindelsdorf 18. März 1913; mit Tusche: Herrn|Alfred Kubin.|Kunstmaler|in Wernstein a/Inn|Ober-Österreich.; Lieber Herr Kubin,|wie schön, daß Sie|mitthun! Kokoschkas|Zusage steht noch aus.|Sie haben so recht mit|dem: nicht umsonst.|Es ist nur gut, wenn ein|paar dabei sind, die 'harte|Ansichten' haben, – Kandinsky|u. ich sind hierin etwas|pathologisch veranlagt.|Alles Nähere einmal|mündlich. Gehetzt wird|natürlich nicht.|Herzlich Ihr F. Marc
Ausgestellt
Nein
Inventarnummer
Kub 1
Zugang
Ankauf 1971
Creditline
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
Zitiervorschlag / Permalink
Franz Marc, Landschaft mit rotem Tier, Postkarte aus Sindelsdorf an Alfred Kubin in Wernstein/Zwickledt, 18. März 1913, Aquarell, Gouache, Tusche, 9 cm x 14 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
https://www.lenbachhaus.de/digital/sammlung-online/detail/landschaft-mit-rotem-tier-postkarte-aus-sindelsdorf-an-alfred-kubin-in-wernsteinzwickledt-30000011
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Werktext

Die Postkarte mit der zauberhaften "Landschaft mit rotem Tier" wurde an den Zeichner Alfred Kubin verschickt, der nicht nur für Franz Marc, sondern auch für zahlreiche andere Persönlichkeiten ein anregender Briefpartner war. Kubin, obwohl zu dieser Zeit bereits nicht mehr in München, sondern in Zwickledt in Oberösterreich ansässig, war Ende 1911 auf briefliches Drängen Gabriele Münters einer der ersten Künstler, der nach dem Eklat um Kandinskys "Komposition V" aus der 'Neuen Künstlervereinigung München' austrat und sich danach der neuen Gruppe des 'Blauen Reiter' anschloss.

Der Text der Karte bezieht sich auf eine gemeinsame Bibelillustration, die die Künstler des 'Blauen Reiter' planten: "Lieber Herr Kubin, wie schön, dass Sie mitthun! Kokoschkas Zusage steht noch aus. Sie haben so recht mit dem; nicht umsonst. Es ist nur gut, wenn ein paar dabei sind, die 'harte Ansichten' haben, – Kandinsky und ich sind hier etwas pathologisch veranlagt [gemeint ist Kubins Bitte um ein Verlagshonorar]. Alles Nähere einmal mündlich. Gehetzt wird natürlich nicht. Herzlich Ihr E Marc." Eine Woche zuvor hatte sich Marc erstmals mit diesem Plan an Kubin gewandt: "Hätten Sie nicht Lust, die Bibel zu illustrieren, Großformat, in Einzelausgaben", "Kandinsky nimmt die Apokalypse, ich das I. Buch Mose." Als weitere Mitarbeiter konnten Paul Klee, der sich die Psalmen aussuchte, Kokoschka – mit dem Buch Hiob – sowie Erich Heckel gewonnen werden. Kubin entschied sich für das Buch Daniel und war der einzige, der seine Blätter bis zum Frühjahr 1914 vorlegte. Der Erste Weltkrieg zerschlug das Projekt; Kubin gab 1918 sein "Buch Daniel" als selbstständige Publikation heraus.

Franz Marc hatte sich in seinen letzten beiden Schaffensjahren, besonders in Zeichnungen und Holzschnitten, mit der Schöpfungsgeschichte befasst. Zu den geplanten Illustrationen der Genesis trug er sogar noch in sein "Skizzenbuch aus dem Felde" 'Anregungen' ein. Die "Landschaft mit rotem Tier" hat etwas vom Zauber des Schöpfungsanfangs. Im Hintergrund, vor dem 'geistigen' Blau des Himmels, weidet ein einsames, rotes Reh auf einem braunen und grünen Hügel. In ungewisser räumlicher Ausdehnung bricht das Land nach Art der 'Weltenscheibe' in mittelalterlichen Handschriften zu allen Seiten ins Leere ab. Seine ebenfalls 1913 gestaltete Postkarte "Byzantinischer Heiliger" an Kandinsky (Städtische Galerie im Lenbachhaus) beweist, dass entsprechende Anregungen, die auch in der stilisierten Baumgestaltung ihren Nachhall finden, Marc geläufig waren. Kosmisches Aufgehobensein der irdischen Erscheinungen im All wird hier miniaturhaft anschaulich.

Werktext aus: Friedel, Helmut; Hoberg, Annegret: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel Verlag, 2007.