Köpfe im Lenbachhaus #10

von Trang Vu Thuy.

Kunst vermitteln: Wie lässt sich über Kunst nachdenken und sprechen? Wie kann man Kunst (be-)greifen? Und auf welche Art und Weise kann Kunst erfahrbar gemacht werden?

Seit einigen Monaten hat die Städtische Galerie im Lenbachhaus ein neues Gesicht bzw. einen „neuen Kopf“ im Kollegium hinzu bekommen. In unsere Reihe „Köpfe im Lenbachhaus“ haben wir bisher ausschließlich mit MitarbeiterInnen gesprochen, die seit vielen Jahren am Lenbachhaus tätig sind und dieses sehr gut kennen. In der Fortführung der Reihe möchten wir Ihnen nun auch unsere MitarbeiterInnen vorstellen, die zwar neu, aber mittlerweile nicht mehr wegzudenken sind.

Martina Oberprantacher ist Kunstvermittlerin in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und möchte Anstöße geben, Kunstvermittlung anders, quer und neu zu denken. Kunst verstehen ist häufig nicht einfach – komplexe Inhalte und viel Theorie, sicherlich, aber es gibt auch andere Wege Kunst zu vermitteln – garantiert!

Frau Oberprantacher, Sie sind seit letztem Jahr im Lenbachhaus für den Bereich Kunstvermittlung zuständig – eine Abteilung, die ganz neu im Aufbau ist. Was bedeutet das für Ihre Arbeit und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Als Verantwortliche für die Kunstvermittlung bedeutet es, dass ich zunächst an der (Neu-) Konzipierung des Vermittlungsprogramms im Lenbachhaus arbeite. Der Bildungsauftrag eines Museums kann sehr vielfältig sein – neben dem Sammeln und Bewahren gehört auch die Vermittlung der Sammlungs- und Ausstellungsinhalte zu den Aufgaben eines Museums und ich betreue praktisch diesen Teilbereich. Konkret heißt es, dass meine Aufgaben darin bestehen, Möglichkeiten und Wege zu schaffen, die den verschiedenen Interessengruppen ermöglicht in Interaktion und in den Dialog mit dem Museum zu treten. Es gibt Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Menschen mit eingeschränkten Sehvermögen, Menschen aus unterschiedlichen sozialen und ethnischen Kontexten. Idealerweise sollte das Museum all diesen Menschen – ganz unabhängig ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihrer Erfahrung mit Bildung – einen Zugang zur Kunst verschaffen.

Wie möchten Sie diese Wege ebnen?
Zunächst denke ich, dass es wichtig ist, neben klassischen Vermittlungsformaten das Spektrum zu vergrößern und verschiedene Optionen sowie Handlungs – und Interaktionsmomente anzubieten, wie man sich der Kunst auf unterschiedlichste Weisen nähern kann. Daher finde ich es besonders wichtig, auch auf verschiedenen Ebenen zu arbeiten, d.h. einerseits das Kognitive anzusprechen und andererseits das Sinnliche aber auch das Physische, so dass diese verschiedenen Aspekte auch bei der Entwicklung bestimmter Formate von mir mitgedacht werden. In Zukunft sollen mehr experimentelle und interdisziplinäre Formen im kunstvermittlerischen Bereich entstehen. So möchte ich ähnlich der Programmatik von Joseph Beuys, der den Kunstbegriff zu erweitern versuchte, diesen Ansatz auch auf die Kunstvermittlung übertragen und nach neuen Formen suchen. Kunst sollte in verschiedenen Dimensionen und für möglichst viele verschiedene Menschen erfahrbar gemacht werden und nicht einzig in Form einer frontalen Lehrsituation, sondern als ein gemeinsames Erleben stattfinden.

Wie kann Kunst in Ihrer Komplexität spannend und doch einfach vermittelt werden?
Ich sehe es durchaus als eine Herausforderung Kunst in Museen und kulturellen Einrichtung gut zu vermitteln. Nichts ist fataler als Langeweile. Ein gutes Brot kann sehr simpel sein und aus ganz wenigen Ingredienzen mit wenig Aufwand hergestellt werden, wenn man auf das Essentielle achtet. Das Essentielle ist sicherlich nicht einzig das, was das Kunstwerk kommuniziert oder das was der Künstler, die Kuratoren oder die Institution Museum in dem Kunstwerk sehen und interpretieren, sondern vielmehr, was jeder einzelne von uns mit der Kunst anfangen kann. Dabei empfinde ich es als essentiell, dass eine Verbindung zwischen diesen Künstlerischen, kunsthistorischen, kuratorischen, musealen und dem ganz individuellen Gedanken geschaffen wird.

Welche Versuche in Richtung kunstvermittlerisches Denken gab es zuvor am Lenbachhaus, an denen Sie mit Ihrem Konzept anknüpfen wollen?
Ich denke an die Ausstellung „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, welche vor der großen Wiedereröffnung im Kunstbau des Hauses gezeigt wurde. Hierbei fand bereits eine Auseinandersetzung mit dem Medium Ausstellung, die Offenlegung der Arbeit im und um das Museum sowie mit den Funktionen der Institution Museum statt, die ich sehr spannend finde. Zusätzlich sind die Aktionen von Wolfgang Zaccarias am Lenbachhaus von besonderer Bedeutung und wichtig zu nennen, da es bereits in den 1970er Jahren am Haus Ansätze gab und Versuche unternommen wurden, in der das Museum als Lern- und Erlebnisort diskutiert wurde. Kindern und Jugendlichen wurde an zwei Wochenenden die Möglichkeit geboten an verschiedensten Aktionen teilzunehmen und das Museum selbst zu bespielen. Neben Malerwerkstätten gab es ebenfalls Fälscherwerkstätten als Kontrapunkt und zudem das Format, dass Kinder Erwachsene führen, welches bis heute Aktualität aufweist.

Wie sehen Sie das Lenbachhaus in zehn Jahren?
Das Lenbachhaus sollte noch lebendiger und aktiver werden, sich vom halb öffentlichen bzw. institutionellen Raum hin zu einem öffentlichen Ort bewegen. Ich wünsche mir, dass das Lenbachhaus als Wohlfühlort für jeden zugänglich gemacht wird – ein Ort, an dem man sich mit Freunden und Familie oder Bekannten trifft und sich unterhält, an dem man von der Kunst umgeben ist – ein natürlicher und ganz selbstverständlicher Umgang mit Kunst – das ist ebenfalls ein Weg, eine Verbindung zur Kunst herzustellen.

Wie führte Sie Ihr Weg an das Lenbachhaus?
Neben meinem Magisterstudium der Kunstgeschichte in Innsbruck und Berlin, sowie diversen praktischen Erfahrungen im Museum, habe ich das Masterstudium „ausstellen & vermitteln“ an der Züricher Hochschule der Künste absolviert. Der Bereich Kunstvermittlung ist insofern für mich spannend, als es ein Bereich ist, der sich an der Schnittstelle zwischen dem Wissenschaftlichen, der Kunst bzw. dem Kunstobjekt, dem Kuratorischen bewegt und den direkten Kontakt sowie die Interaktion mit Personen beinhaltet. Abgesehen von der Ausschreibung für die Stelle in der Kunstvermittlung des Lenbachhauses hatte ich während meines Studiums in Innsbruck eine Dozentin, Silvia Eiblmayr, die als Co-Kuratorin an einer Ausstellung im Lenbachhaus gearbeitet und mich auf das Haus aufmerksam gemacht hat. Einerseits liegt der Sammlungsschwerpunkt des Hauses auf der Kunst „Der Blaue Reiter“, des 19. Jahrhunderts sowie der Gegenwartskunst, andererseits beschäftigt es sich parallel hierzu mit ganz vielen gesellschaftsrelevanten Themen, die neue Felder eröffnen, aber auch Schnittstellen aufzeigen.

Welches Kunstwerk aus der Sammlung würden Sie bei sich zu Hause haben wollen, wenn Sie sich eines auswählen dürften?
Isa Genzkens Arbeiten gefallen mir sehr gut, weil Sie eine äußerst vielfältige Künstlerin ist, eine spannende Materialästhetik hat und mich mit Ihren Werken auf eine Weise berührt, die ich nicht in Worte fassen kann.

Welche Kultureinrichtung in München besuchen Sie am liebsten?
Als zugezogene Münchnerin finde ich es sehr aufregend nun in einer Stadt zu leben, in der die großen Häuser mit den tollen Sammlungen und einzelnen Kunstwerken versammelt sind, die man zuvor aus Büchern aus der Studienzeit kennt. (lacht) Sie wissen eigentlich, dass es eine sehr gemeine Frage ist. Es gibt enorm viele Institutionen, die ich als spannend empfinde. Seien es kleine Häuser, wie die Villa Stuck, oder große, wie das Deutsche Museum, oder das Haus der Kunst. Ich bin noch dabei die Kulturlandschaft in München und diesen persönlichen Lieblingsort für mich zu entdecken.

Trang Vu Thuy ist Volontärin in der Abteilung für Kommunikation in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München