Warum schenkt der Mensch?

von Trang Vu Thuy.

Weil er muss! Oder auch will! Denn nichts bereitet wohl mehr Freude, als den liebsten Menschen, Freundinnen und Freunden, Bekannten oder auch Kolleginnen und Kollegen seine Verbundenheit mit einem Geschenk zum Ausdruck zu bringen. Schenken ist mehr als nur Konsum und Warenaustausch. Schenken macht glücklich. Ob kleine oder große Gaben, es gibt meist einen recht rentablen Gegenwert: Dank.

In den 30 Jahren der engen Freundschaft studierten, wohnten, lehrten, diskutierten und feierten Paul Klee und Wassily Kandinsky zusammen, und haben sich zudem auch immer wieder kleine und große Präsente gemacht: Gemälde, Aquarelle und Drucke. Bereits in der Münchner Zeit schenkte Klee seinem neugewonnenen Freund zwei kleine Zeichnungen und erhielt zum Dank ein farbenfrohes Aquarell zurück. Nach dem ersten Gabentausch zur Zeit des "Blauen Reiter" wurde dies zwischen 1922 und 1932 zu einem festen Ritus.

Während ihrer gemeinsamen Tätigkeit als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau bedachten sich Klee und Kandinsky mehrfach und in regelmäßigen Abständen mit Geschenken, die oft mehr als nur freundschaftliche Aufmerksamkeiten bedeuteten. Sie waren wichtige Mittel ihres künstlerischen Dialogs. Viele Geschenke waren Geburtstagspräsente, und da beide im selben Monat geboren waren, ergab sich ein amüsantes künstlerisches wie freundschaftliches Spiel daraus. Der chronologischen Folge entsprechend machte Paul Klee mit seinem Aquarell "Brieffeld z.5. Dezember 1927" (1926) (Abb. 1) den Anfang. Zwei Wochen später beschenkte Kandinsky seinen Freund zum Geburtstag am 18. Dezember ebenfalls mit einer aquarellierten Arbeit (Abb. 2). Zu Weihachten folgten weitere Bilder, u.a. als Gruß an die Ehefrauen oder sie galten als Dankesgaben. Häufig griffen beide Künstler in ihren geschenkten Arbeiten die Formen und Farben der jeweils vorangegangen Geschenke wieder auf. So etwa auch im Jahr 1924, als Klee seinem Freund Kandinsky das Blatt "Tieropfer" (1924) (Abb. 3) zum Geschenk übergab, eine Federzeichnung mit gelb grünem Hintergrund und einem mit einer scharfen Säge zerlegtem Tier – eine recht Klee’sche Darstellung seiner finsteren Fantasien. Mit dem Aquarell "Kühles Gelb" (1924) bedankte sich Kandinsky wiederum bei seinem Freund – einer Arbeit, in der Kandinsky Klees Farbpalette umkehrte, intensives Gelb verwendete und in eine Komposition aus strengen geometrischen Formen, Linien und spitzen Dreiecken übersetzte. Ähnlich ging Kandinsky mit Klees anthropomorpher Grafik "Treppe und Leiter" (Abb. 4) um, in der er die Motive und geometrischen Formen seines Freundes aufgriff und gleichzeitig in eine strengere Linie verwandelte. Während Klees Arbeiten viele fragile Elemente und erzählerische Details enthalten, sind die Bilder Kandinskys häufig geometrisch geglättet.

Die Geschenke sind somit nicht nur Zeichen ihrer Freundschaft, sondern zeigen darüber hinaus, wie sie teils sogar auf ironische Weise auf das Werk des jeweils anderen Bezug nehmen. Ihr gegenseitiger Einfluss wird so auf einmalige Weise veranschaulicht. Zwar kam es nach Klees Umzug nach Düsseldorf 1931 nur selten wieder zu Begegnungen zwischen dem Freundespaar, aber anlässlich des 70. Geburtstags schickte Paul Klee seinem Freund ein letztes Mal eine Gouache-Arbeit, die Kandinsky mit dem Aquarell "Dessus-Dessous" (1935) (Abb. 5) würdigte, als er Klee ein letztes Mal im Februar 1937 in Bern besuchte.

Trang Vu Thuy ist Mitarbeiterin des Lenbachhauses in der Abteilung für Kommunikation und u.a. zuständig für die Online-Redaktion.

Veröffentlicht am 14. Dezember 2015.