Köpfe im Lenbachhaus #2

von Sabine Scherz, Gastbloggerin.

Wo geht’s lang? Schilder im Museum
Sich zu verlaufen, ja sogar zu verirren, kann sehr unangenehm sein. Vielleicht haben Sie das schon einmal erlebt: Die Begleiterscheinungen wie Herzklopfen, Schweißausbruch, eine leichte oder mittlere Panikattacke machen die Situation nicht besser und führen zu einem Tunnelblick, mit dem man quasi nichts mehr sieht und sich schon gar nicht mehr räumlich orientieren kann. Auch in öffentlichen Gebäuden wie einem Museum kann man sich verlaufen. Hierfür werden Leitsysteme installiert, die den Besucher an die gewünschten Orte führen sollen. Das ist keine einfache Aufgabe: Die Hinweise müssen am richtigen Ort, gut lesbar und nachvollziehbar sein. Aspekte wie die Schriftgröße und –type sowie der Kontrast zum Hintergrund sind dabei zu beachten. Was sich so leicht und selbstverständlich anhört ist eine große planerische Leistung. Denn gerade in einem Museum, einem Ort der Ästhetik, muss das Leitsystem ansprechend gestaltet sein und auf das Haus abgestimmt werden. In der Verbindung dieser verschiedenen Ansprüche liegt die Herausforderung. Mich hat interessiert, wie die Gestaltung eines Orientierungssystems in einem Museum geplant und durchgeführt wird. Dazu habe ich ein Interview mit Susanne Böller im Lenbachhaus geführt:

Frau Böller, das Leitsystem im Lenbachhaus wurde gerade neu gestaltet – auf welche Aspekte hat man dabei besonders geachtet?
Nach der Renovierung haben wir eine veränderte Situation. Vor dem Umbau gab es nur einen Weg, der begangen werden konnte. Jetzt gibt es viele Wege. Über das Atrium, in das der Besucher zuerst gelangt, kann er alle Ebenen ansteuern. Er muss selbst entscheiden, welchen Weg er durch das Haus nimmt und welche Sammlungen er besucht, dabei kann er sich aber eher verlaufen.
Das Leitsystem soll dem Besucher vom Atrium aus Ziele anbieten, ihn auf dem Weg dorthin begleiten und ihm deutlich anzeigen, wann er dort angekommen ist. Auch auf dem Weg zu einem neuen Ziel nimmt ihn dann das Leitsystem wieder „an die Hand“.

Wie wirkt sich die Beschäftigung mit dem Thema Leitsystem auf Ihr tägliches Leben aus?
Ich achte auch woanders darauf, wie etwas gemacht ist. Speziell natürlich in den Museen, in die ich gehe. Ich stelle die mir Fragen wie: Ist das System klar, funktioniert es? Gerade auch für die Planung des Leitsystems im Lenbachhaus habe ich mir andere Systeme angesehen. Die Erfahrungen und Beobachtungen, die ich dabei gemacht habe, sind in unser Leitsystem eingeflossen.

Was, finden Sie, ist besonders gut gelungen und was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
Gut finde ich, dass unser Leitsystem inhaltlich durchdacht und homogen gestaltet ist. Wir haben es zusammen mit Herburg Weiland, einem Grafikbüro, erarbeitet. Am Anfang stand eine neue Schrift für das Lenbachhaus, sie heißt Lenbach Grotesk und wird für alle Beschriftungen und auch für unsere Publikationen, Werbematerialien, Briefpapier etc. verwendet. Die Umsetzung der Beschriftungen haben, je nach der angewendeten Technik, verschiedene Firmen übernommen. Die Bezeichnungen der Sammlungen und Einrichtungen sind in 3D-Buchstaben gestaltet, Pläne und Texte geplottet, Objektbeschriftungen auf Folie gedruckt und hinter Plexischeiben montiert.
In der Praxis muss man dann auch sehen, dass bestimmte Dinge einfach nicht wahrgenommen werden. Wir haben an einigen Stellen deshalb die weiße Oberfläche der 3D Buchstaben grau gestrichen, um sie zu verdeutlichen. Solche Abstriche in der Ästhetik sind wohl nicht zu vermeiden. Wir haben im Nachgang auch zusätzliche Hinweise angebracht, aber nicht immer nützt das etwas. So steht jetzt beispielsweise über unseren Kassen „Tickets“, „Tickets Jahreskarten“ und „Tickets Gruppen“, um den Besucherandrang zu kanalisieren und die Wartezeiten zu verkürzen, aber die Besucher stellen sich trotzdem an irgendeiner Kasse an.

Erhalten Sie Feedback von den Besuchern zum Leitsystem?
Wenig. Aber das ist ein gutes Zeichen, wenn sich niemand beschwert, dass er sich verlaufen hat. Viele Menschen fragen allerdings sowieso lieber jemanden vom Aufsichtsdienst als sich auf das Leitsystem einzulassen. Es ist auch in Ordnung, wenn manche eine persönliche Auskunft sympathischer finden.

Was haben Sie bei der Planung des Orientierungssystems bedacht?
Das Orientierungssystem sollte möglichst klar und einfach sein, in seiner Ästhetik zur Architektur und Innenausstattung passen und gleichzeitig praktisch sein. Dazu gehörte auch, dass wir Materialien gewählt haben, die sich für den jeweiligen Zweck eignen. So sollten z.B. die Beschriftungen schnell und kostengünstig ausgetauscht werden, deshalb haben wir uns für Folien mit Plexischeiben entschlossen. (Insgesamt dauerte die Planung und Ausführung des Leitsystems und der Beschriftungen etwa ein Jahr.)

Was würden Sie Kollegen, die sich mit der Neugestaltung eines Leitsystems befassen, raten?
Man sollte immer wieder selbst durchs Haus gehen und überlegen, wo und wofür braucht jemand einen Orientierungshinweis? Welche Wege geht der Besucher, um in die verschiedenen Bereiche der Ausstellungen zu gelangen, an welchen Stellen braucht er Bestätigung, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet und wie findet er wieder zurück.

Wie führte Sie Ihr Weg ans Lenbachhaus München?
Ich habe viele Jahre im Bereich Ausstellungsorganisation gearbeitet. Jetzt bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sammlungen, Ausstellungen und Forschung tätig. Außerdem umfasst mein Aufgabenbereich alles, was mit Sprache und Text zu tun hat und sich an unser Publikum wendet. Dazu gehören u.a. die Broschüren und Flyer, Publikationen, die Beschriftungen unter den Bildern und natürlich auch das Leitsystem.

Welches Bild aus der Sammlung würden Sie sich zu Hause über die Couch hängen, wenn Sie sich eines auswählen dürften?
Susanne Böller lacht und meint: “Oh das sind so viele. So eine große Couch habe ich gar nicht“.

Welche Kultureinrichtung in München und Umgebung besuchen Sie gerne?
Die Pinakotheken und das Haus der Kunst.

Sabine Scherz ist Gastbloggerin für den Lenbachhaus Blog.