Köpfe im Lenbachhaus #11

von Anna Nertinger.

Etymologisch gesehen ist es einfach – das Wort Kurator stammt vom Lateinischen curare ab und bedeutet soviel wie Sorge tragen um etwas. Aber wie funktioniert das bei einem Museum? Und wie kommt man eigentlich dazu, Kurator zu werden?

Eva Huttenlauch, unsere neue Kuratorin für die "Sammlung Kunst nach 1945", war schon viel unterwegs: New York, Rom, Venedig, Rotterdam, Frankfurt. Seit einigen Wochen ist sie nun in München. Mit uns spricht sie über ihre internationalen Erfahrungen, ihre Arbeit als Kuratorin und ihren ersten Besuch im Lenbachhaus.

In der Reihe Köpfe am Lenbachhaus stellen wir Ihnen regelmäßig MitarbeiterInnen am Lenbachhaus vor.

Frau Huttenlauch, wie führte Sie Ihr Weg ans Lenbachhaus?
Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Romanistik in Heidelberg und Rom hatte ich verschiedene berufliche Stationen. Zunächst habe ich am Museum of Modern Art (MoMA) in New York ein Traineeship absolviert und war ein Jahr in Rom an der Villa Massimo tätig. Danach war ich zwei Jahre in Rotterdam und habe dort am Witte de With Centre for Contemporary Art, einer jüngeren experimentellen Kunsthalle, als Kuratorin gearbeitet. Außerdem betreute ich während dieser Zeit als Projektleiterin den Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig 2009. Im Anschluss daran bin ich an das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt gegangen und war von dort aus parallel nochmal für zwei Ausstellungen im Deutschen Pavillon in Venedig tätig. Am MMK habe ich, wie schon während der Zeit am MoMA, gemerkt, dass das Museum mein Weg sein soll. Da habe ich mich hier beim Lenbachhaus auf die Stelle der Sammlungsleitung beworben, und da bin ich.

Was unterscheidet das Lenbachhaus vom MMK in Frankfurt?
Strukturell unterscheiden sich die Häuser wenig. Beides sind städtische Museen und von ungefähr gleicher Größe, aber die Sammlungen sind doch sehr verschieden. Während sie hier im Lenbachhaus mit dem 19. Jahrhundert und besonders den Münchner Malern dieser Zeit beginnt, ist das MMK sehr viel jünger. Das Museum wurde 1991 eröffnet und die dortige Sammlung beginnt mit den 60er Jahren, mit Vertretern der Minimal und Pop Art. Die Zeitspanne der gesammelten Kunst ist am MMK also kleiner, dafür aber ist der Gegenwartsbereich an sich größer, weil es eben eine reine Sammlung von Gegenwartskunst ist.

Was war Ihr bisher spannendstes Projekt?
Oh, da gibt es viele Beispiele (lacht). Die Ausstellungen im Deutschen Pavillon der Venedig-Biennale sind natürlich sehr außergewöhnlich in der Vorbereitung. Die Arbeit ist dort ganz anders als in einer Institution und eine Herausforderung vor allem wegen der fehlenden personellen und räumlichen Infrastruktur. Im MMK habe ich zuletzt eine Ausstellung mit 50 afrikanischen Gegenwartskünstlern zum Thema der Göttlichen Komödie realisiert, das war ebenfalls ziemlich herausfordernd. Schön war aber auch das etwas ruhigere Jahr in der Villa Massimo in Rom. Dort habe ich viel vom Lebensalltag der Künstlerstipendiaten mitbekommen und den deutsch-italienischen Beziehungen in der Kultur. In Rotterdam war es dann wieder jünger und experimenteller. Und jetzt freue ich mich auf eine anregende Zukunft hier am Lenbachhaus.

Wie sieht der Arbeitsalltag einer Kuratorin aus?
Ich kümmere mich am Lenbachhaus in erster Linie um die Sammlung: Aufarbeiten, Bewahren, Erweitern, Vermitteln, Publizieren und natürlich Ausstellen. Es gibt bei der kuratorischen Arbeit einerseits die reinen Bürotage, an denen man viel am Computer arbeitet, sich mit Verwaltung und Organisation beschäftigt, aber auch viel liest. Dann gibt es andere Dinge wie Atelierbesuche, oder die konzeptuelle Arbeit an der Ausstellung mit den Künstlerinnen und Künstlern. Sehr schön finde ich vor allem den Ausstellungsaufbau selbst. Man sieht wie sich die Ausstellung realisiert, die man bisher nur gedanklich vor Augen hatte. Dabei passiert oft auch viel Unerwartetes im positiven Sinne.

Wie viel Vorbereitungszeit braucht eine Ausstellung in der Regel?
Das kommt ganz auf die Ausstellung an. Idealerweise hat man ungefähr ein Jahr oder etwas mehr für Recherche, Finanzierung und Umsetzung sowie die Publikation. Es kann aber natürlich auch sein, dass man innerhalb von zwei bis drei Monaten eine Ausstellung auf die Beine stellen muss, das geht dann auch.

Was sind Ihre Pläne für das Lenbachhaus im nächsten Jahr?
So konkret kann ich das noch nicht sagen. Es gibt Pläne für eine Neupräsentation der Sammlung Kunst nach 1945, und auch für einzelne Ausstellungen sowie Wechselausstellungen. Ich habe schon Künstler im Kopf, aber etwas genaueres kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin gerade dabei in enger Zusammenarbeit mit Matthias Mühling an den Zukunftsprojekten zu arbeiten.

Wann waren Sie das erste Mal im Lenbachhaus und was ist Ihnen davon am besten in Erinnerung geblieben?
Das muss vor 14 Jahren gewesen sein, dass ich das erste Mal im Lenbachhaus war. Ich habe nach dem Abitur hier in München ein Praktikum bei Christie’s gemacht. Ich erinnere mich, dass damals eine Ausstellung von Rosemarie Trockel im Kunstbau zu sehen war. Fasziniert hat mich auch das große Konvolut an "Gemälden des Blauen Reiter". Während meiner Studienzeit habe ich mich dann auch viel mit der Klassischen Moderne und mit den Künstlern im Ersten Weltkrieg beschäftigt.

Welches Kunstwerk aus der Sammlung würden Sie mit nach Hause nehmen, wenn sie sich eines auswählen dürften?
Besonders gern mag ich “Olympia 2050“ von Michel Majerus, weil er sich sehr früh in Europa mit der visuellen Sprache des Alltags und der Popkultur auseinandergesetzt hat. Durch seine eigenwillige Bildsprache, die Auflösung der künstlerischen Kategorien und durch seinen konzeptuellen Umgang mit Farbe, die er ins Räumliche bringt, spricht er verschiedene ästhetische Erfahrungsebenen an.

Anna Nertinger studiert Medienkultur und Medienwirtschaft an der Universität Bayreuth und ist Praktikantin in der Kommunikationsabteilung der Städtischen Galerie Lenbachhaus und Kunstbau München.